Welche Jobs wird Künstliche Intelligenz uns so bald nicht wegnehmen können?

Zu den Ängsten, die Menschen zu Robotern und Künstlicher Intelligenz immer wieder ausdrücken, ist die um Arbeitsplätze. Welche Jobs werden Menschen machen, wenn Maschinen alles übernehmen? Zuerst mal sind es zwei Arten, wie physische und kognitive Maschinen unsere Arbeit verändern. Einmal dort, wie sie ganze Berufe ersetzen, wie beispielsweise LKW- und Taxifahrer, die durch autonome Autos ersetzt werden; und dann dort, wo sie Berufe verändern, indem sie uns Routinetätigkeiten abnehmen, wie beispielsweise das Ablesen von Röntgenbildern oder das Ausfüllen der Steuererklärung durch einen Steuerberater.

Eine Studie der Oxford University, die vor einigen Jahren einen Schock verursachte, weil die Studienautoren von 47 Prozent aller Berufsgruppen sprachen, die von Computerisierung betroffen sein werden, stellte sich bei genauerer Durchsicht als weniger radikal heraus, als im ersten Moment gedacht. Die Autoren schrieben über einige Aufgaben innerhalb dieser Berufsgruppen, die durch Computerisierung übernommen werden. Die Berufe verschwinden nicht, deren Aufgabenbereiche werden sich ändern.

Ist unsere Sorge also unbegründet oder sollten wir noch stärker in Panik geraten, wenn es um Arbeitsplätze für uns geht? Menschen tendieren dazu, die größte und flexibelste Ressource auf diesem Planeten zu wenig einzusetzen und zu berücksichtigen. Und das ist „menschliches Potenzial“. Seit Jahrhunderten bewegen wir uns weg von physisch beschwerlichen Routinetätigkeiten hin zu solchen, die immer mehr den Einsatz unseres Gehirns verlangen. Immer neue, erfüllendere und das menschliche Potenzial ausschöpfende Tätigkeiten entdecken wir, von denen wir nicht wussten, dass Menschen fähig dazu sein könnten.

Kriterien von vor Robotern sicheren Berufen

Welche Berufe sind nun – egal von welchen zukünftigen Fähigkeiten von Maschinen man ausgeht – sicher vor Robotern?

  1. Berufe, die Roboter machen können, aber vermutlich nie machen werden;
  2. Berufe, von denen wir nicht wollen, dass Roboter sie ausüben;
  3. Berufe mit sich stark ändernden Anforderungen;
  4. Berufe, die hohe soziale Intelligenz benötigen;
  5. Berufe, die vor Ort ausgeführt werden müssen;
  6. Berufe, die Kreativität oder abstraktes Denken erfordern;

Überraschend klar wird damit, welche heute teils sehr populären und angesehenen Berufe nicht darunterfallen. Und diese umfassen dabei folgende Fähigkeiten:

  • Programmieren – Systeme werden sich selbst programmieren;
  • KI-Systeme entwickeln – grafische Benutzeroberflächen werden einfaches Erstellen von KI-Systemen erlauben;
  • Planen, Organisieren, Entscheiden
  • Lehrplanerstellung – Studenten designen ihren eigenen Lernplan mithilfe einer KI;
  • Lebensläufe schreiben und sichten – die Reputation wird sozial;
  • Übersetzung und Lokalisierung – geschieht zeitnah;
  • Rechtsforschung und Jurisdiktion – wird automatisiert;
  • Validierung – folge deinem Instinkt, die Maschine überprüft es für dich;
  • Monotone Aufgaben – wenn es repetitive sind, kann das eine Maschine übernehmen.

Dagegen werden Fähigkeiten an Bedeutung zunehmen, die einfaches und fortgeschrittenes technologisches sowie soziales und emotionales Wissen umfassen.

Hilfestellung zur Berufsauswahl

Der Physiker Max Tegmark schlägt deshalb eine Berufsauswahl und -beratung für heutige Kinder vor, die von der KI-Evolution betroffen sein werden. Welche Berufe werden weniger wahrscheinlich von einer Automatisierung betroffen sein? Kriterien dafür könnten sein:

  • Ist dafür die Zusammenarbeit mit Menschen und der Einsatz sozialer Intelligenz erforderlich?
  • Muss man dafür Kreativität mitbringen und sich schlaue Lösungen einfallen lassen?
  • Ist dafür die Arbeit in einer unvorhersehbaren Umgebung nötig?

Das Studium von geisteswissenschaftlichen in Kombination mit technischen und naturwissenschaftlichen Fächern, bei gleichzeitigem Aneignen oder Beibehalten von fächerübergreifendem Interesse und eine Abkehr von zu hoher Spezialisierung scheint aus heutiger Sicht eine zukunftsträchtige Formel zu sein.

Sinn von Arbeit

Zuerst aber müssen wir noch andere Probleme lösen. Der französische Philosoph Voltaire schrieb schon 1759 über den Zweck von Arbeit: „Die Arbeit hält drei große Übel fern: die Langeweile, das Laster und die Not.“ Vielen Menschen gibt Arbeit Sinn, sie definieren sich darüber. Im Römischen Reich war nicht zuletzt der Spruch „panem et circenses“ (Brot und Spiele) bekannt, der die Menschen beschäftigen und von blöden Ideen (wie dem Gedanken an den Sturz des Kaisers) abbringen sollte.

Manche Kulturen sind um solche Arbeitsaktivitäten herum designt. Sobald sie verschwinden, bricht der Sinn weg, den die Vorfahren und die Gemeinschaft als lebenswert betrachteten, und es kommt in diesen Kulturen zu einem Kollaps. Wir sehen das bei Indianerstämmen, bei der Landbevölkerung in manchen US-Bundesstaaten oder in Ländern, wo Langeweile und Drogenmissbrauch die Lücke schließen. Nicht alle Gesellschaften reagieren auf diese Weise auf den Mangel „Arbeit“. Inselbevölkerungen im Südpazifik beispielsweise können damit sehr gut umgehen.

Selbst wenn es neue Berufe und Arbeitsplätze geben wird, nicht jeder und jede kann so einfach von einem Beruf in den anderen wechseln. Selbst wenn die Mitarbeiter die Umschulung wollen, sie sind sehr teuer und zeitaufwendig. Und manche Berufe sind eng mit dem sozialen und familiären Umfeld verwoben, deren Ende zu einer Auflösung dieser Strukturen führen kann. Ich stamme selbst aus einem sozialdemokratischen Umfeld, meine Großmutter war Akkordarbeiterin, in der Gewerkschaft und als Parteimitglied engagiert. In meiner ganzen Familie gab es Arbeiter, für die eine solch einschneidende Umschulung und solche Änderungen im Arbeitsumfeld einen großen Umbruch im Leben bedeutet hätte. Diese Sorgen müssen adressiert werden, Möglichkeiten müssen aufgezeigt und die Menschen unterstützt werden.

Wie auch immer es kommen mag, die Diskussionen um Robotersteuern oder das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) werden sich in den kommenden Jahren noch intensivieren. Mit der Coronakrise sehen wir die Bedeutung vom BGE aber auch der von Robotern, die uns helfen, kontaktlos und damit mit verringerter Ansteckungsgefahr zu verbleiben. Und das ist eine der großen Lehren aus dieser Pandemie, die uns die Zukunft von Arbeit und mit intelligenten Maschinen aufzeigt.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus meinem Buch Wenn Affen von Affen lernen: Wie Künstliche Intelligenz uns erst richtig zum Menschen macht. Erschienen im Februar 2020 im Plassen-Verlag.

Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

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