Silicon Valley Exodus: Das Ende vom Tal der Innovation?

Zuerst COVID, dann Palantir, dann Hewlett Packard Enterprise und nun Oracle. Die Nachrichten der letzten Wochen und Monate erwecken den Eindruck, dass die Gegend um San Francisco und San José, besser bekannt als das Silicon Valley, die beste Zeit vorbei hat. Die Corona-Krise führte dazu, dass die ansässigen Unternehmen ihren Mitarbeitern Home Office ermöglichten mussten, die viele dazu verleitete nachzudenken, ob es wohl wert wäre, die teuren Mieten zu bezahlen. Ein Zimmer in einer WG in San Francisco kann schon mal locker 3.500 Dollar kosten – pro Monat. Abgesehen von der katastrophalen Verkehrssituation, sobald man mit dem Auto pendeln musste. Kein Wunder, dass eine signifikante Zahl an Mitarbeitern in das Umland oder gleich in andere US-Bundesstaaten zogen. Isolierter, im Grünen und vor allem viel günstiger. Und dank Internet und Videokonferenzwerkzeugen geht das auch.

Das von Peter Thiel mitfinanzierte und geheimnisvolle Unternehmen Palantir hatte schon Mitte 2019 angekündigt, aus dem Silicon Valley fortzuziehen und Denver in Colorado seine Heimat zu machen. Dann aber kündigten das Silicon Valley-Urgestein Hewlett Packard – oder genauer: Hewlett Packard Enterprise – und Oracle an, ihre Hauptsitze aus dem Silicon Valley nach Austin in Texas verlegen zu wollen. Und das klingt in den Ohren vieler schon nach dem Abgesang für die Innovationsregion der Welt.

Nur: stimmt das so?

Dazu müssen wir uns die Hintergründe des Wegzuges, die Art der Unternehmen, die Geschichte des Silicon Valleys und die Risiken für wegziehende Firmen betrachten.

Bei Palantir bilden gleich mehrere Begebnisse den Hintergrund für den Wegzug. Eines hatte mit Peter Thiels Unterstützung für Donald Trump zu tun, weswegen er vom liberalen Silicon Valley-Umfeld einiges an Kritik entgegennehmen musste. Und dann hilft auch nicht, dass Palanatirs Geschäftsmodell hauptsächlich Militär, Geheimdienst und Polizei diente. Überwachung, Datensammlung und Datenanalyse zu diesen Zwecken finden selbst im sonst nicht der Gier nach Big Data abgeneigten Silicon Valley auf mehr als nur Stirnrunzeln. Damit gewannen sowohl Thiel als auch die Palantir-Gründer den Eindruck, das Silicon Valley wäre zu intolerant gegenüber abweichenden Meinungen und Perspektiven geworden. Hier scheint somit eine Mischung aus persönlichen Gründen und der Natur im Business Palantirs vorzuliegen, die die Entscheidung zum Umzug nach Denver gegeben haben.

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Hewlett Packard wiederum war nach Meinung vieler das erste wirkliche Silicon Valley Garagen-Start-Up. In den 1939 von den beiden Ingenieuren William Hewlett und Dave Packard gegründet, galt es lange Zeit als innovatives Unternehmen mit einer starken Ingenieurskultur. Doch mit dem Abgang der Gründer begann der langsame Abstieg von HP. Gerade die letzten zwei Jahrzehnte waren von Turbulenzen geprägt, wo Vorstandsbesetzungen mit Carly Fiorina, Mark Hurd oder Léo Apotheker zu kostspieligen Fehleinkäufen (Compaq unter Fiorina), Vorwürfen von Favoritism (Hurd) oder inkompetenter Kommunkiation an der Konzernspitze (Apotheker) das Unternehmen immer mehr von einer Ingenieurskultur zu einem alten Dinosaurier verkümmern ließ. ich hatte in dieser Zeit öfters mit HP zu tun, fuhr jahrelang an den HP-Gebäuden vorbei und jeder Besuch machte deutlich, wie wenig junge Leute dort arbeiteten. Junge Talente zieht es auch nicht in solch eine Firma und die Gehälter, die Google, Apple und Co bezahlen können, liegen nicht mehr in der gewollten Reichweite HPs. Jedes Jahr wurden mehr und mehr der HP-Gebäude aufgelassen. Mit anderen Worten: HP hatte schon lange seine Innovationskraft verloren und war ein Legacy-Unternehmen geworden. Und für ein solches ist das Silicon Valley einfach zu teuer.

Für Oracle gilt ähnliches. Lange Jahre vom Gründer Larry Ellison stramm geführt. Doch Oracle kämpfte immer damit, sein Portfolio außerhalb von Datenbanken zu erweitern. Das zeigte sich Anfang der 2000er Jahre, als Oracle mit seiner eigenen Geschäftssoftware wenig gegen den Platzhirschen SAP ankommen konnte und begann, der Reihe nach Konkurrenten wie JD Edwards oder Siebel aufzukaufen. Ähnlich ging es später mit Cloudlösungen, als neue Anbieter wie Salesforce oder Amazon diesen Markt aufbauten und zu dominieren begannen. Oracle, wenn auch unbestrittener Marktführer bei Datenbanken, konnte sein Kerngeschäftsfeld nie in der Größe ausweiten, wie es Ellison sich vorgestellt hatte. Innovation kam so vor allem durch Unternehmenszukäufe in die Firma. Oracle plagen somit ähnliche Probleme wie HP, auch wenn das Unternehmen halb so alt ist, so zählt es doch schon zu den Legacy Unternehmen in der Gegend. Und auch damit wird das Silicon Valley für Oracle einfach zu teuer.

Dieser Exodus ist nicht der erste in der Geschichte des Silicon Valley. Schon mehrmals gab es diese Zyklen. Ich selbst zog 2001 in die Gegend, gerade als die Internetblase platzte und mit dem Anschlägen von 9/11 ine halbe Million Menschen wegging. Doch nach jeder Krise kam das Silicon Valley stärker zurück als je zuvor. Es ist eben einfach eine ungewöhnliche Mischung aus Infrastruktur und Ökosystem für Unternehmensgründer vorzufinden, die man so konzentriert in dieser Breite und mit dieser Erfahrung woanders nicht findet.

Und Austin oder andere Städte sind nicht unbedingt soweit oder durchgehen ihrem eigenen Zyklus mit der Ankunft dieser Silicon Valley-Flüchtlinge. Austin kämpft seit einigen Jahren mit einem starken Zuzug, der Wohnungspreise explodieren ließ und Wohngegenden umkrempelt.

So ein Wegzug kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Einerseits hilft es Kosten zu sparen, und gerade bei Unternehmen vom Schlage Oracles oder HPs frische, junge und nicht so vom Silicon Valley gnadenlos verwöhnte Talente ins Unternehmen zu bringen. Das könnte das dringend benötigte frische Blut in die Unternehmen bringen. Gleichzeitig aber verliert man unter Umständen die erfahrensten und besten Mitarbeiter, die den Umzug nicht mitmachen wollen. Und gerade diese finden problemlos einen neuen Job bei anderen Silicon Valley unternehmen. Das kann die Unternehmen nachhaltig schaden, weil Wissen und Können verloren geht.

Die Auswirkung einer Stadt oder Region auf den Erfolg der dort angesiedelten Unternehmen darf nicht unterschätzt werden. Nicht nur gibt es einen größeren Pool an Talenten und Kunden der sich vorteilhaft auswirkt, auch ob sich ein Unternehmen in der Stadt oder in der Umgebung ansiedelt kann direkten Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Werden als Argument für die Ansiedlung außerhalb der Stadt oftmals günstigere Mietpreise genannt, so konterkariert die Lage den Unternehmenserfolg. In einer Studie wurden die Börsenkurse von 38 vergleichbaren New Yorker Unternehmen, die die Stadt verließen und sich außerhalb ansiedelten, mit jenen von 35 Unternehmen verglichen, die in New York blieben. Die Kursentwicklung der abgesiedelten Unternehmen war in den Jahren danach nur halb so gut.[1]

Die Schlussfolgerung ist, dass ein solcher Umzug hier kaum aus der Position der Stärke erfolgt. Die betroffenen Unternehmen können entweder nicht mehr mit der Dynamik der Konkurrenz um Talentte und Standorte im Silicon Valley mithalten, oder haben ganz persönliche Gründe sich zurückzuziehen. Dem Silicon Valley schadet es sicherlich nicht. Die Mietpreise in San Francisco sind um ein Viertel gesunken und macht die Stadt und die Gegend wieder etwas attraktiver. Nicht zu vergessen, dass die Unternehmen, die am meisten von Corona profitiert haben, vorwiegend Silicon Valley Unternehmen sind. Zoom, Apple, Google, Tesla oder Airbnb mussten sich fast schon für ihre Profitabilität entschuldigen und sie wissen sehr wohl, was sie am Silicon Valley haben. Keine Rede von einem Umzug. Und diese Profitabilität wiederum stellt Kapital für Investitionen bereit und zieht unweigerlich Talente an. Weit gefehlt also von einem Exodus und dem Anfang vom Ende des Silicon Valley zu sprechen.


[1] William Whyte; City: Rediscovering the Center; University of Pennsylvania Press, 2009

Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

4 Gedanken zu “Silicon Valley Exodus: Das Ende vom Tal der Innovation?

    1. Sie bauen dort gerade eine Fabrik in Austin, die den Cybertruck produzieren wird. D.h. nicht, dass sie Fremont auflassen.

  1. HPE ist allerdings nicht Austin, sondern ins Umland von Houston gezogen. Womit das Unternehmen allerdings eine Ausnahme zu sein scheint.

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