Über kein Thema sprechen die Leute häufiger als über das Essen. Mehrmals am Tag wird genascht, gesnackt, gegessen und gevöllert. Essen ist ein soziales Ereignis. Man sitzt am Tische zusammen, feiert gemeinsam und geht auf die ersten Dates zum Essen. So manche private wie auch wirtschaftliche Beziehung wurde am Esstisch begonnen. Menschen sprechen öfter über Essen, als normale Menschen Sex haben. Essen beeinflusst wie wir uns fühlen, wie leistungsfähig und wie gesund wir sind. Und immer öfter auch, ob wir auf unserem Planeten überleben können.
Was wir nämlich futtern hat Auswirkungen darauf, wie wir die Ressourcen der Erde einsetzen So dienen 40 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in den USA zum Anbau von Futter für die Tiere, deren Fleisch wir konsumieren. Der Wasserverbrauch, der Energieeinsatz und der Abfall zum Züchten von Tieren macht nicht nur der Umwelt zu schaffen, sondern schafft auch Leid. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen entschließen, auf tierische Produkte teilweise oder ganz zu verzichten.
Die Diskussionen zwischen Vegetariern, Veganern und Fleischessern können rasch kontrovers werden. Sogar auf das Liebesleben hat das Einfluss. Dating-Apps die nur für Veganer oder Vegetarier sind, weil sie den Körpergeruch von Fleischessern nicht ausstehen können.
Im Bus sitzt ein Pärchen, offensichtlich deren erstes Date. Er fragt sie: “Wohin willst du essen gehen?” Sie antwortet “Wie wär’s mit einem Restaurant mit gutem vegetarischen Angebot.” Er: “Oh…” Sie fragt ihn: “Und was machst du so?” Er schaut verlegen: “Ich bin Metzger…”
Diese Tierliebe geht sogar so weit, dass Hundebesitzer ihre Hunde vegan oder vegetarisch ernähren, weil diese dann weniger “hundeln”, also nach Hund riechen.
Alt:Meat Lab
Wie auch immer, es wäre nicht das Silicon Valley und Technologie, wenn es nicht Gründer*Innen gäbe, die sich dieses Problems annehmen würden. Auf der UC Berkeley gibt es das Alt:Meat Lab, das sich um die Ausbildung von Student*Innen zur Gründung und Mitarbeit an alternativen Tierprodukten bemüht. Neben den bekannten Ansätzen, bei denen mit Soja, Bohnen, Linsen und anderen pflanzenbasierten Ausgangsstoffen versucht wird, Nahrungsmittel zu erzeugen, die Fleisch, Milch, Yoghurt oder Ei möglichst nahe kommen, gibt es auch andere Herangehensweisen. So beispielsweise das Upcycling, bei dem aus Nahrungsmittelabfällen für Menschen genießbares Essen produziert wird.
Insekten
Auch Insekten jeglicher Art werden von den Evangelisten neuer Nahrungsmitteln angepriesen. Sie seien proteinreich und ressourcenschonend zu erzeugen, würde da nicht der Würgereflex bei den meisten Menschen einsetzen. Aber auch an solches Essen gewöhnt man sich, wie alle Lieberhaber*Innen von Escargots – den französischen Weinbergschnecken – bestätigen können. Und sie können tatsächlich zu Delikatessen werden. So wurden Hummer vor so gar nicht langer Zeit als Heuschrecken des Meeres bezeichnet. Dieses billige Huhn des armen Mannes wurde vor allem an Häftlinge und Sklaven verteilt, wo es dann sogar zu Revolten kam. Diese Aufstände waren so intensiv, dass man sich einigte, dass Hummer nicht mehr als drei Mal die Woche serviert werden darf.
Zellkulturen
Doch interessanter mag Ansatz sein, aus Zellkulturen Fleisch zu erzeugen. Dabei wird einem Tier eine Feder, ein Fellhaar oder Muskelgewebe entnommen, ohne dass das Tier zu Schaden kommt. Die daraus gewonnene Zellen werden dann in einem Reaktor mit entsprechender Nährlösung und idealen Temperaturen zur Teilung veranlasst und das Resultat ist ein im ersten Moment nicht sehr appetitlich aussehender Brei. Weiterverarbeitet und aufgetragen auf eine Trägersubstanz ergeben sich eine Vielzahl von Möglichkeiten.
Der deutschsprachige Fernsehsender Servus TV war mit mir im Silicon Valley bei zwei Unternehmen unterwegs, um deren Produkte und Ansätze zu filmen. Ich durfte durch die Sendung führen und das Essen verkosten und meine Eindrücke dazu geben. Wir waren bei NotCo in San Francisco und Just in Alameda. Dabei wurde mir von Chefs und Culinary Scientists die NotMilk (also die Nicht-Milch) und der Not-Burger serviert. Und bei Just aß ich pflanzenbasiertes Rührei und zellkulturiertes Hühnchen. Hier ist der Beitrag:
Einige dieser Produkte werden bereits verkauft, wie beispielsweise das Hühnchen von Just in Singapur, die NotMilk und das Flüssigei in den USA, mit immer mehr Produkten, die vor dem Startloch stehen. So schloss das von der Österreicherin Patricia Bubner gegründete Startup Orbillion Auslieferungsverträge in den USA und Europa für deren bald kommenden zellkulturierten Rindfleischsorten.
Und mit diesen Produkten ändert sich auch unsere Betrachtungsweise zu Fleischprodukten. Ist man dann noch Veganer oder Vegetarier, wenn man Fleisch aus Zellkulturen konsumiert? Die Gründe, fleischlos zu leben, mögen bei manchem mit dem damit verbundenen Tierleid zu tun gehabt haben. Bei anderen, mit der Nachhaltigkeit und dem hohen Ressourceneinsatz. Und bei manchen/mancher mit der Tatsache, dass sie Fleischgeschmack einfach nicht mögen oder ihr Körper es nicht verträgt oder sie unwohl sein lässt.
Wie auch immer, die Szene zeigt jedenfalls großes Interesse an zellkulturiertem Fleisch und den Möglichkeiten. Denn Tierleid und Ressourcenverschwendung ist damit nicht mehr verbunden, und das Fleisch könnte geschmacklich verändert und für den eigenen Körper angepasst werden. Die Zukunft muss auch für Vegetarier und Veganer nicht mehr fleischlos sein. Stehen damit Vegetarier und Veganer auf der Liste der aussterbenden Spezies? Die Zukunft wird es zeigen.
Doch nur Fleisch aus Zellkulturen wachsen lassen ist langweilig. Es ergeben sich sehr spannende weitere Möglichkeiten und sie wälzen unser bisheriges Verständnis von Nahrungsmitteln und Philosophien um. Doch dazu mehr im zweiten Teil: “Ich bin prominent, esst mich auf!”
Ein Gedanke zu “Zukunft des Essens Teil 1: Ausgestorbene Vegetarier und populäre Kannibalen”