Am Beispiel der Fahrdienstanbieter mytaxi und Uber lässt sich sehr schön darstellen, wie viel dynamischer ein Silicon-Valley- Start-up vorgeht und vorgehen kann. Beide Start-ups wurden 2009 gegründet, aber sowohl ihre Ausgangspunkte als auch deren Entwicklung zeigen deutliche Unterschiede auf.
Das Hamburger Start-up mytaxi wurde im Juni 2009 mit der Absicht gegründet, Fahrgästen über eine App ein Taxi zu bestellen. Und für deutsche Start-up-Verhältnisse ist das auch eine wahre Erfolgsgeschichte. Bis 2012 wurden insgesamt 13 Millionen Euro an Venture-Kapital durch T-Ventures und Daimler aufgestellt, in einer weiteren Investmentrunde nochmals eine nicht genannte Summe, bevor mytaxi 2014 von Daimler endgültig geschluckt wurde.
Uber wurde 2009 als Limousinenservice gegründet, damit ‚Schnösel’ – wie die Uber-Gründer es waren – stilecht zu Partys auffahren konnten. Sehr rasch erkannte man aber das Potenzial und weitete das Angebot vom reinen ,Schnöselservice’ zu an- deren Fahrdienstleistungen aus. Von kleineren Fahrzeugen für Fahrgäste bis hin zu Lieferservices reicht heute die Angebotspalette. Bevor man sich’s versah, machten die Uber-Fahrer den Taxifahrern Konkurrenz. Und Uber-Investoren belohnten den Erfolg mit Investitionen, die in einem Dutzend Investmentrunden bis Januar 2016 elf Milliarden Dollar einbrachten.
Während mytaxi seine App als Vermittler zwischen bestehen- den Taxi-Services und Fahrgästen sah und sich damit innerhalb der gegebenen Regulierungen bewegte, befand sich Uber von Anfang an im unregulierten Markt von Privatfahrzeugen, die Taxiservice-ähnliche Leistungen anboten. Im selben Zeitraum stellte Uber das beinahe 300-Fache an Venture-Kapital auf und ist global vertreten, während mytaxi vor allem in Europa existiert. Uber stößt in beinahe allen Städten, in denen der Service eingeführt wird, auf Widerstand der alteingesessenen Taxidienste und wird mit Klagen überzogen.
Nach der Logik von Investoren ist jedoch die Anzahl der Klagen und des Widerstands gegen ein Start-up nicht nur ein Anzeichen für die Höhe des Risikos, das es birgt, sondern vor allem für die Größe der Disruption, die es in bestehende Märkte bringt. Je mehr Klagen, desto größer die Disruption, desto größer auch die Chance, hohe Investmenterlöse zu generieren.
Während europäische Start-ups sich bestehende Regularien als Grenzen setzen, hinterfragen Silicon-Valley-Start-ups diese und verändern sie. Die Regulierungen des Taxigewerbes kommen nicht von irgendwoher. In der Vergangenheit bestand ein Informationsungleichgewicht zwischen Taxianbieter und Fahrgast. Ein Besucher kennt eine Stadt oder Region weniger gut als der Fahrer. Und viele Fahrer wissen das und nutzen nach wie vor deren Unwissen aus.
Das Erlebnis einer spanischen Freundin vom vergangenen Jahr zeigt das. Nach einer Konferenz in Las Vegas war sie zeitig in der Früh im Taxi auf dem Weg zum Flughafen, als bei einer roten Ampel eine Motorradstreife ans Fenster klopfte und den Fahrer nach seinem Fahrziel fragte. Dieser gab an, auf dem Weg zum Flughafen zu sein. Der Polizist fragte nach, warum er denn dann in die entgegengesetzte Richtung fahre. Die Antwort des Taxifahrers, dass er wegen des Verkehrs einen schnelleren Umweg fahre, genügte dem Polizisten nicht, weil um sechs Uhr früh keinerlei Verkehrsaufkommen war. Er notierte sich das Kennzeichen und die Lizenznummer des Taxis, wies den Fahrer an, sofort umzudrehen und auf kürzestem Wege zum Flughafen zu fahren. Der verdutzten spanischen Freundin überreichte der Streifenpolizist eine Karte mit seiner Telefonnummer, die sie anrufen sollte, sollte es Probleme geben und falls die Fahrt mehr als 20 Dollar koste.
Aus diesen und weiteren Gründen verabschiedeten viele Städte und Gemeinden Regulierungen und Bestimmungen, um gegen solche Dinge vorzugehen. Neben Taxilizenzen, Fahrprüfungen und regelmäßigen Kontrollen versuchen die Behörden, solchen Geschäftsgebaren Einhalt zu gebieten. Mit dem Uber-Angebot weiß aber der Fahrgast nicht nur im Vorhinein, wie viel die Fahrt kosten wird und wie der Fahrer von anderen Fahrgästen beurteilt wurde, auch der Fahrer selber sieht die Bewertungen des Fahrgasts von anderen Fahrern. Es gibt eine größere Transparenz, mit wem man es zu tun hat und welches Preis-Leistungs-Verhältnis zu erwarten ist.
Die Popularität von Uber führt nun aber dazu, dass Taxiservices die Regulierungen, die ihnen auferlegt wurden, als Waffe gegen Uber verwenden wollen, da Uber den Standpunkt vertritt, genau diesen Regulierungen nicht zu unterliegen. Die Behörden sehen sich plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass Regeln, die zum Schutz der Fahrgäste gegen die Taxiservices erlassen wurden, nun von den Taxiservices zum eigenen Schutz gegen Uber verwendet werden. Das führt zur interessanten Situation, dass bei Gemeindesitzungen Uber-Nutzer lautstark dagegen protestieren und Gemeindevertreter sich darauf rückbesinnen müssen, warum diese Regulierungen eigentlich eingeführt wurden. Die neue Situation macht diese teilweise obsolet und erfordert eventuell neue Bestimmungen, wie beispielsweise der fehlende Versicherungsschutz der Uber-Fahrgäste zeigt.
Ähnliche Phänomene sind bei anderen Industrien zu erkennen. Airbnb disruptiert das Hotelwesen, oDesk/elance das Zeitarbeitsgewerbe und damit auch Gewerkschaften, die eine immer kleiner werdende Basis von Erwerbstätigen vertreten.
Im Uber-versus-mytaxi-Beispiel ist aber klar zu sehen, wie viel aggressiver und mit wie viel höherer Kapitalausstattung ausgestattet Silicon-Valley-Start-ups Märkte aufbauen und besetzen. Während mytaxi sich akquirieren ließ, bereitet Uber den Börsengang als unabhängiges Unternehmen vor und wird als eines der höchstbewerteten Start-ups, das je existierte, tituliert. Es ist eines von dreizehn Decacorns.