“Es gibt keinen Arbeitsauftrag. Fahren Sie ins Silicon Valley und berichten sie uns wie die Leute dort ticken.” Das war die unübliche Ansage des Geschäftsführers eines in Köln basierten Immobilienfonds, die er seinen beiden Executives auf den Weg gab. Und auf den Weg begaben sie sich im Februar 2017, wo sie ein Monat im Innovationshauptquartier der Welt verbringen sollten.
Das Unternehmen mit knapp über 100 Mitarbeitern ist eine Fondsgesellschaft, die mehrere Milliarden Euro an Immobilienvermögen verwaltet.
“Ohne Arbeitsauftrag kann man nix falsch machen,” dachten sich die beiden Gesandten und hörten noch den Wunsch ihres Geschäftsführers “… und bringen sie ein oder zwei Unicorns mit” als sie bereits auf den Weg ins Silicon Valley waren.
Vorbereitung des Silicon Valley Besuches
Einer der Mitarbeiter, der schon ein Highschooljahr in den USA verbracht hatte und immer wieder seinen Urlaub dort verbringt, war sofort von der Aufgabe angetan. Mit Hilfe von ein paar Freunden und anderen Kontakten vor Ort konnten er und sein Kollege einen ersten Plan für den vierwöchigen Aufenthalt erstellen. Zuerst besuchten sie erste Anlaufstellen wie das Hanahaus, den German Accelerator oder den lokalen Innovation Hub The Hive des Axel-Springer-Verlags in Palo Alto.
Es überraschte die beiden Kölner wie schnell sie Kontakte auf den Netzwerkevents schließen konnten. Mit ein paar Adressen zogen sie los, aber in den vier Wochen konnten sie mehr als 50 Termine wahrnehmen. Sie lernten die anfänglich Skepsis und das Misstrauen abzulegen und offen mit den Menschen umzugehen. Und sobald sie das getan hatten, war es einfach an Leute und Unternehmen ranzukommen.
Was sie lernten war, dass Amerikaner rasch zum Punkt kommen und das vom Gegenüber erwarten. Ein langes Labbern über die eigene Person und das eigene Unternehmen sind nicht zielführend. Amerikaner wollen sehr schnell verstehen mit wem sie es zu tun haben und ob es eine Geschäftsmöglichkeit gibt. Die beiden erstellten deshalb einen One-Pager über ihr Unternehmen mit allen relevanten Informationen, die sie schon vor jedem Meeting an die Kontakte sandten. Und sie lernten in wenigen Sätzen – wie ein Elevator-Pitch – sich und ihr Unternehmen vorzustellen.
Überraschend war auch wie solche Meetings zumeist endeten. Selbst wenn es nicht so aussah, als ob es hier zu einer Geschäftsmöglichkeit kommen würde, boten die Kontaktpartner immer an, sie noch mit weiteren Leuten bekannt zu machen.
Nur ein Drittel der Meetings fanden mit Personen und Unternehmen aus der eigenen Industrie statt. Und das stellte sich als äußerst positiv heraus. Sie fanden sogar, dass sie die besten Meetings eigentlich sogar mit Leuten aus anderen Industrien hatten, weil man gedanklich stimuliert wurde und nicht den vermeintlich ‘richtigen’ Fokus hatte, sofort auf den Kern der Sache zu kommen, sondern sich dem Neuen zu öffnen und mal zuzuhören und zu verstehen versuchen.
Ein Termin mit einer Sensortechnologiefirma brachte ihnen beispielsweise einen tiefen Einblick zu Batterietechnologien für Sensoren, die sie in Gebäuden brauchen. Aus der Meetingagenda und dem Wirken der Firma selbst hätten sie das nie vorhersagen können, und doch erwies es sich als wichtiges Treffen, da sie plötzlich Ideen für Kosteneinsparungen erhielten, wenn die Batterien nur alle 2 Jahre statt alle 6 Monate ausgetauscht werden mussten.
Andere Gesprächspartner umfassten Venture Kapitalisten, Vordenker, Start-upgründer, Manager oder Rechtsanwälte, aber auch Besuche im Computer History Museum, in der d.School der Stanford Universität, dem Plug & Play TechCenter und Meetups sowie Pitch-Events standen auf dem Programm.
Wie bringe ich das Erlernte aus dem Silicon Valley zurück?
Um die Kollegen daheim auf dem Laufenden zu halten führten sie einen internen Blog, in dem sie über die Meetings, Trivia und die ersten Erkenntnisse berichteten.
Sobald sie wieder zurück in Köln waren, hielten sie einen 45-Mínütigen Vortrag, den mehr als ein Drittel aller Kollegen besuchten. Das Feedback war überwältigend. Viele Kollegen kamen nachher auf sie zu und bedankten sich für die Ideen, die Energie die sie gezeigt hatten und die Inspiration die sie gegeben hatten. Mehrere Kollegen boten sich sofort für eine Zusammenarbeit an, um diesen Geist ins Unternehmen zu bringen und weiter zu tragen.
Seither sind mehrere Aktivitäten in Gang gesetzt worden. Zuerst mal wurde als regelmäßige Veranstaltung ein Innovationssalon eingerichtet. Zu dem aktuell monatlichen stattfindenden Event werden neue Themen und Methodologien vorgestellt. So demonstrierten sie vor ihren Kollegen eine virtuelle Brille von Oculus Rift. Als zweites Projekt kümmert sich eine Kollegin nun um die sogenannte hausinterne Garage, einem kleinen, internen Innovationshub, in dem neueste Technologien aber auch interne Experten zu den Themen bereitstehen sollen. Und zwischenzeitlich waren sie und ein weitere Kollegen erneut mehrmals im Silicon Valley, um Nachfolgetermine wahrzunehmen.
Als Herausforderung steht natürlich der Aufwand da, der zusätzlich eingebracht werden muss, um die Energie nicht zu verlieren. Der Arbeitsalltag erfasst einen sehr rasch wieder und Prioritäten ändern sich. Doch Hartnäckigkeit und Kontinuität sind wichtig, um so langsam den Geist des Silicon Valley mit den Stärken des eigenen Unternehmens zu verbinden.
Andere Erkenntnisse und Ergebnisse
Als vermutlich wichtigstes Ergebnis für den Immobilienfonds ist eine in Gründung befindliche eigene Tochterfirma, die für strategische Investitionen mit mehreren Millionen Euro dotiert werden soll. Das Geld soll in neue Technologien investiert werden, die Themen wie Augmented und Virtuelle Realität, Blockchain oder Smart Contracts umfassen. Dazu wurde auch eine Partnerschaft mit Silicon Valley Akzeleratoren eingegangen, nicht zuletzt weil diese über ein großes Netzwerk verfügen. Auch mit dem Maker-Campus UnternehmerTUM in München wurde eine Partnerschaft eingegangen um neuen Trends schneller beizukommen und interessante Start-ups rascher zu erkennen.
Auch wenn sie offen zugeben, dass bis heute vor allem Geld ausgegeben wurde und noch kaum ROI aus diesem Silicon Valley Besuch da ist, so sind es bislang die Erkenntnisgewinne zur Zukunft der Immobilienbranche und sie beeinflussenden Technologien, die sich als extrem wertvoll erwiesen haben.
Dem Geschäftsführer des Fonds brachten sie zwar keine Unicorns – also diese magischen Start-ups mit Milliardenschweren Bewertungen mit – dafür aber zwei Plüschtiereinhörner. Und damit haben die beiden eigentlich auch nix falsch gemacht.