Sind Männer Lappen?

Brauchen wir eine Dating-App für kluge, unabhängige, erfolgreiche, wunderschöne, teils in der Öffentlichkeit stehende Frauen, die alles im Leben haben, nur nicht einen Mann an ihrer Seite? Will man den klugen, unabhängigen, erfolgreichen, wunderschönen, teils in der Öffentlichkeit stehende Frauen auf sozialen Medien glauben, dann ist die Antwort ein enthusiastisches „JA BITTE“! Denn auf Tinder, Bumble, sozialen Medien und sonstigen Elite-Dating-Apps seien die Männer, die sich dort herumtreiben alles nur „Lappen“.

So jedenfalls war schrieb die Unternehmerin Bianca Praetorius auf LinkedIn und Instagram in klagender Weise mit einem Aufruf an die Nicht-Lappen-Männer:

Liebe Non-Lappen Männer, gibt es genug von euch?

Gibt es genug starke und reife Männer, die nicht nur den talk talken, sondern ihrem Wort auch Integrität & emotionale Souveränität folgen lassen können?

Wenn ich das machen würde – bräuchte es wahrscheinlich einen männlichen Co-founder, mit männlichem Netzwerk. Denn tolle Frauen hätte ich mehr als genug.

Was denkt ihr?

Doch was ist eigentlich ein Lappen-Mann, stimmt Praetorius Behauptung, es gäbe keine Nicht-Lappen-Männer, oder liegt das doch an etwas Anderem? Und welche Lösungen gäbe es denn?

Alles Lappen-Männer?

Zuerst mal definiert Praetorius – wegen der vielen Nachfragen – was denn einen Lappen-Mann ausmache:

  1. Ein Lappen-Mann kann keine Frau an seiner Seite ertragen, die mindestens gleich ambitioniert, erfolgreich, stark ist;
  2. Ein Lappen-Mann fühlt sich „entmännlicht“ oder ‚klein“, sobald sie ihn finanziell und/oder erfolgsmäßig übertrifft;
  3. Ein Lappen-Mann hängt in alten Rollenbildern fest und besteht auf seine Privilegien. Er nimmt folglich nur zwei Monate oder weniger Elternzeit und lässt die Frau alle geistige Last & disproportional viel Pflegearbeit übernehmen und denkt das sei normal;

Und Praetorius hat sicher recht, dass es diese Männer gibt. Immerhin widmete ich ihnen sogar ein ganzes Buch: CYBERF*CKED (ab November im Buchhandel) behandelt, wie solche Lappen-Männer, die ich im Buch als toxische Männer bezeichne, Frauen im Internet belästigen und bedrohen und was die Gründe sind, wie sie zu solchen Lappen werden.

CYBERF*CKED
Erscheinungsdatum: 10. November 2022

Und ja, diese Männer fühlen sich durch solche erfolgreichen Frauen bedroht und hängen einem eher steinzeitlichen – Pardon: konservativen – Weltbild an. Aber ehrlich gesagt, das ist nur ein kleiner Prozentsatz der Männer. Wo sind also die Nicht-Lappen-Männer? Und da haben die klugen, unabhängigen, erfolgreichen, wunderschönen, teils in der Öffentlichkeit stehenden Frauen eine andere Theorie, und die hat mit Qualitätsansprüchen zu tun.

Zick-Zack

Laut den klugen, unabhängigen, erfolgreichen, wunderschönen, teils in der Öffentlichkeit stehenden Frauen sind Männer wenig wählerisch, wenn es darum geht eine Frau fürs Leben zu finden. Qualität-A-Männer, also die absoluten Nicht-Lappen-Männer, haben alle Optionen offen. Sie können eine A-Qualität-Frau heiraten, oder eben auch eine B-Qualität-Frauen. Ein Arzt heiratet die Krankenschwester, ein Unternehmer seine Sekretärin. Der B-Qualität-Mann wiederum wählt nicht die B-Qualität-Frau, sondern die C-Qualität-Frau. Der Beamte die Rezeptionistin, der Handwerker die Modeverkäuferin.

Frauen hingegen sind wählerisch, sie heiraten nicht nach unten, also die A-Qualität-Frau den B-Qualität-Mann, sondern nur auf mindestens gleicher Ebene oder höher. Und das führt zu einem Problem, wie das folgende Diagramm zeigt.

Wer heiratet wen?

Übrigbleiben nämlich die A-Qualität-Frauen und die D-Qualität-Männer, also einerseits die klugen, unabhängigen, erfolgreichen, wunderschönen, teils in der Öffentlichkeit stehenden Frauen, andererseits die absoluten Lappen-Männer, mit denen keiner etwas zu tun haben will. Und angeblich ist diese Diagramm auch ein Beweis für die Lebensweisheit „Dumm fickt gut„. Dazu aber ein ander mal mehr.

Zurück zu dieser Kaskade. Die beginnt sehr früh loszulaufen, in manchen Ländern ist es für Frauen über 25 bereits vorbei. Sie sind entweder verheiratet, oder sogenannte Leftover-Women. In China beispielsweise gelten 27-jährige, unverheiratete Frauen als solche. Sie haben sich mehr auf ihre Ausbildung und Karriere denn um ihre Beziehung und Familienplanung gekümmert. Und trotz eines Männerüberschuss von 33 Millionen mehr an Männern in China – ein unerwartetes Ergebnis der Jahrzehnte andauernden Ein-Kind-Politik – finden diese Frauen keine A-Qualität-Männer mehr.

Sagen sie zumindest. Gibt es also wirklich gar keine guten Männer mehr? Werfen wir den Blick auf einen anderen Kontinent: Amerika.

Alles erfolgreiche, smarte, wunderschöne Frauen?

Die New Yorker Beziehungsexpertin und Dating-Coach Rachel Greenwald hörte zu Beginn ihrer Karriere vor zwei Jahrzehnten immer wieder dieselben Beschwerden von ihren weiblichen Klientinnen. Es seien einfach keine guten Männer mehr da. Greenwald erfuhr hingegen von all den Arschlöchern, Lügnern, Spinnern und bindungsscheuen Männern, mit denen die Frauen auf Dates gegangen waren. Und mit der Sympathie für ihre Klientinnen und diesem Erfahrungsschatz schrieb sie ihr erstes Buch.

Doch die Zufriedenheit mit dem Buch hielt nicht lange an, denn sie stieß auf ein anderes Phänomen: immer mehr ihrer Freundinnen und Klientinnen waren frustriert, weil sie nach den ersten ein oder zwei Dates mit einem Mann von diesem nicht mehr angerufen worden waren. Die Frauen waren von den Männern geghostet worden. Und das, obwohl die Frauen gedacht hätten, das Date wäre gut gewesen und es hätte sich etwas Längerfristiges entwickeln können.

Greenwald hatte eine Idee: sie ließ sich die Telefonnummern der letzten fünf Männer geben, mit denen ihre Klientinnen auf Dates gegangen waren, um mit ihnen sogenannte Exit-Interviews zu führen. Wie die Personalabteilung mit Mitarbeitern, die ein Unternehmen verlassen, ein abschließendes Gespräch führen, um die wahren Gründe für den Weggang zu finden und damit eine Chance zu haben, firmenintern Verbesserungen durchzuführen, genauso führte Greenwald Gespräche mit den Männern, um die Gründe herauszufinden, warum sie keine weiteren Dates mit den Frauen mehr haben wollten.

Aus den mehr als 1.000 Exit-Interviews entstand das Buch Why He Didn’t Call You Back, in dem Greenwald die Vorgehensweise und ihre Erkenntnisse beschreibt. Eine wahre Fundgrube an dem, was ohne es zu merken bei einem Date schiefgehen kann. Und die Ergebnisse waren für die Frauen überraschend. Greenwald hatte jede Frau gefragt, was ihrer Meinung nach die Gründe gewesen wären, dass die Männer sie nicht mehr zurückgerufen hätten. Die Frauen gaben vorwiegend drei Gründe an:

  1. Er wäre noch nicht bereit für eine neue Beziehung gewesen;
  2. Er hätte Angst vor Intimität gehabt;
  3. Er hätte ihre versteckte fehlende Bereitschaft für eine Beziehung wahrgenommen und sie deshalb nicht mehr angerufen;

Alle drei Gründe sind zugleich welche, bei denen die Frau keine Kontrolle hat, etwas an der Situation zu verbessern. Doch wie sich herausstellen sollte, lagen die wahren Gründe ganz woanders, die nur 15 Prozent der Frauen lagen richtig. Mit anderen Worten: die Frauen hatten keine Ahnung, was hier schiefgegangen war.

Dank der Interviews zeichneten sich für Greenwald zehn Verhaltensmuster der Frauen heraus, die die Männer beschrieben hatten, die sie zu einem Abbruch des Kontakts mit der Frau geführt hatten. Es waren Verhaltensmuster, die, wie Greenwald hinweist, in dieser frühen Phase des Kennenlernens die Männer abgehalten hatten. Und in den Interviews war Greenwald angetan davon, wie nett die Männer waren. Sie waren zumeist aufrichtig und ehrlich an einer langfristigen Beziehung interessiert gewesen. Greenwald erfuhr genau das Gegenteil, was die Frauen ihr gesagt hatten: hier waren sie, all die guten, all die Nicht-Lappen-Männer. Mehr als eintausend von ihnen.

Doch welche Typen an Frauen fanden die Männer so irritierend oder uninteressant, dass sie sie nicht mehr einluden? Nehmen wir zwei heraus, die für die von Bianca Praetorius aufgeworfene Fragestellung in Frage kommen.

Der Nummer 1-Typ: die sogenannte Boss Lady.

Männer hatten über diese Frauen gar nichts Negatives zu berichten. Sie waren von ihnen oft sehr beeindruckt, fanden sie inspirierend. Doch was die Männer auch sagten, verhinderte weitere Dates. „Es fühlte sich mehr wie ein Geschäftsessen als ein Date an„, sagte einer. „Ich hätte sie auf der Stelle eingestellt„, meinte ein anderer, aber eben nicht geheiratet. Und so etwas wie „Ihr Verhalten war ‚So wird’s gemacht‘ statt ‚Ich denke, wir könnten es so machen, aber ich würde gerne deine Meinung dazu hören.‘“ Oder ein Mann meinte: „Ich erfahre tagsüber schon genug Aggression gegen mich im Job, ich brauche das dann nicht auch noch zuhause.

Mit anderen Worten: diese klugen, unabhängigen, erfolgreichen, wunderschönen, teils in der Öffentlichkeit stehenden Frauen verhielten sich im Privatleben gegenüber den Männern wie im Beruf. Sie konnten nicht umschalten, sie betrachteten die Männer als Projekt, an dem zu arbeiten ist, und zwar mit Zwischenzielen und einem Zeitplan. Sofern sie übrigens in ihrem geschäftigen Leben Zeit für ihn einschieben konnte. Zu oft war die Arbeit wichtiger, als die Arbeit an der Beziehung.

Mit dem zumeist auch finanziellen Erfolg einer Boss Lady ist es wenig überraschend, dass sie sich auch etwas gönnt. Teure Kleidung, Schmuck, Handtasche und tolles Auto.

Der Nummer 4-Typ war die Park Avenue Princess (in etwa für Deutschland: Ku’dammprinzessin; Schweiz: Bahnhofsstraßenprinzessin; Österreich: Kohlmarktprinzessin). Diese ließ ohne weiteres Markennamen fallen, ließ ihre Präziosen blitzen und erwähnte nebenbei ihre Kurztrips in teure Metropolen zum Shoppen.

Für den Mann war hier das Hauptsignal nicht, dass sie finanziell abgesichert und unabhängig ist, sondern: die kann oder will ich mir nicht leisten. Die Park Avenue Princess erschien den Männern mit ihrer Zurschaustellung ihrer Besitztümer als zu Geld- und selbstzentriert, als schwer zufriedenzustellen und als jemand, der die einfachen Dinge nicht genießen könne.

Vergleichen wir das mit den Gründen, die die Frauen ganz am Anfang angaben, warum die Männer sie nicht mehr angerufen und eingeladen hatten, dann merken wir, wie sehr die Einschätzung der Frauen über die Männer daneben liegt. Nicht nur die Frauen, übrigens. Auch die Männer. Denn laut Greenwald war sie von ihren Klientinnen auch überzeugt, dass diese von den Männern zu harsch beurteilt worden waren. Doch ist ein erstes Date sehr kurz, und dank dem Internet ist die nächste Frau nur einen Mausklick oder Swipe weg. Und wenn die ersten Minuten oder das erste Abendessen zu oft gewisse Stereotypen zu bestätigen scheinen, dann ziehen die Männer weiter. Ohne dass die Frau den Hauch einer Ahnung hatte, was da genau geschehen war. Und manchmal auch wirklich ohne ihre Schuld.

Dating-App zum Einfangen von Nicht-Lappen-Männern

Bianca Praetorius ließ sich, angespornt vom überwältigenden Feedback der vielen klugen, unabhängigen, erfolgreichen, wunderschönen, teils in der Öffentlichkeit stehenden Frauen zum Launch einer Dating-App überreden. Cherrish heißt sie, und Interessierte können sich bereits in eine Warteliste eintragen lassen.

Noch ist nichts Genaueres zur App bekannt und nicht zu den Auswahlkriterien, die einerseits die Lappen von den Nicht-Lappen-Männern unterscheidet, aber auch nicht, wie kluge, unabhängige, erfolgreiche, wunderschöne, teils in der Öffentlichkeit stehende Frauen definiert werden.

Denn eines meinte schon Rachel Greenwald: wann immer ihr eine Frau sagte, dass ihre Freundinnen zu ihrer Mode und ihrem Aussehen gratulieren würden, hörte sie nicht nur genauer hin, sondern ließ sich erst recht die Garderobe zeigen. Was nämlich Frauen als modisch und attraktiv empfanden, tötete bei Männern oft die Romantik.

Was also Frauen als klug, unabhängig, erfolgreich, wunderschön an Frauen empfanden, sahen Männer ganz anders: als kalt, kontrollierend, zu argumentativ, wenig feminin und zu wenig fürsorglich.

Für Bianca Praetorius, Cherrish und ihre Suche nach Nicht-Lappen-Männern bedeutet das vor allem: um Erfolg zu haben muss man nicht nur die Männer verstehen und davon abgehen, die Schuld am Misserfolg der Frauen nur beim männlichen Geschlecht suchen und sie zu reparieren versuchen. Diese angeblich so klugen, unabhängigen, erfolgreichen, wunderschönen, teils in der Öffentlichkeit stehenden Frauen sollten in sich gehen und sich die ehrliche Frage stellen, ob sie überhaupt verstanden haben, warum sie in Beziehungen und bei der Suche nach Beziehungen sich offensichtlich wenig klug und erfolgreich verhalten und wie sie wirklich von den Männern wahrgenommen werden. Und das ist oft völlig konträr zu dem, wie andere Frauen sie wahrnehmen.

Nur dann kann ein Dialog und eine Beziehung auf Augenhöhe beginnen. Und das beginnt, dass frau nicht mehr vom Lappen-Mann spricht.

Abschließender Aufruf

Es gäbe noch viel viel mehr dazu sagen. Deshalb arbeite ich an einem kleinen Buch mit dem Titel „Sind Männer Lappen?„, wo ich detaillierter auf diese Thematik eingehen werde. Wer Beispiele und Hinweise für mich hat, bitte per E-Mail oder Kontaktformular an mich.

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