Das leidige Thema von Innovationsjurys

Intrapreneurship-Programme und Hackathons werden typischerweise mit Jurys besetzt, die eine Auswahl der eingereichten Ideen treffen sollen. Nicht jeder Vorschlag kann gefördert werden und Kriterien die die besten Ideen identifizieren werden erstellt. Die Jurys selbst sind mit Experten und erfahrenen Personen aus der Geschäftsleitung zusammengestellt. Leider ist es gar nicht so einfach gute Ideen zu identifizieren. Ideen sind nämlich billig und ein schlechtes Team kann selbst aus der besten Idee nichts machen. Vieles was wir heute als selbstverständliche Technologie oder Methodologie ansehen war bei ihrer Einführung zuerst als lächerlich angesehen oder sogar stark angefeindet worden.

Eine Jury ist dagegen ebenso nicht immun. Gerade firmeninterne Jurys tendieren dazu von Managern bevölkert zu sein, die aufgrund ihres Titels oder durch ihre Ausführungsaktivitäten, aber nicht in ihrer Eigenschaft als erforschende und suchende Innovatoren mit vielen eigenen Entdeckungsaktivitäten bekannt sind. Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung illustriert das. Bei einem Hackathon in Bangalore stellte ein Team eine Smartphone App vor mit der Reisebelege fotografiert und automatisch in das Reisekostenabrechnungssystem eingetragen wurden. Eine Lösung die sich jeder der im Publikum Anwesenden wünschte. Nichts ist langweiliger und nerviger als Reisekostenbelege einzutragen. Eines der drei Jury-Mitglieder, ein Senior Vice President, meinte dazu nur, dass er keine Anwendung dafür sehen würde. Diese App brauche niemand. Das Erstaunen im Publikum war greifbar. Dieser Manager hatte kein Problem damit, er gab seine Reisekostenbelege nie selber ein sondern überließ diese Arbeit seiner Sekretärin.

Wissenschaftlich gesehen ist die Güte einer Jury-Entscheidung von mehreren Faktoren abhängig. Gemäß dem Jury-Theorem des Marquis de Condorcet wird eine Jury-Entscheidung besser, wenn es sich um eine homogene Gruppe handelt deren Mitglieder unabhängig voneinander sind. Das trifft in der Praxis aber selten zu und funktioniert eher bei richtig oder falsch Entscheidungen, wo die Mehrheit der Jury-Mitglieder dieses Wissen hat. Gruppen können durch statistische Ausgleichseffekte beispielsweise besser das Gewicht eines Ochsen oder die Anzahl von Erbsen in einem Glasgefäß schätzen als ein Einzelner. Bei Innovation gibt es aber keine richtige oder falsche Antwort. Eine Jury wird somit eher falsch liegen und damit der Innovation hinderlich.[1]

Gruppen mit diverser Zusammensetzung und mit mehr und weniger überlappenden Informationen sind zu bevorzugen. Gruppen bei denen viele Mitglieder einen ähnlichen Informationsstand haben tendieren dazu dieser den meisten bekannten Information mehr Gewicht beizumessen. Abweichende Information wird verdrängt vor allem wenn die Mitglieder einer Jury miteinander kommunizieren. In vielen Hackathons habe ich dieses Phänomen selbst erlebt. Die Summe der Bewertung der Ideen auf den einzelnen Beurteilungsbögen war eine andere als diejenige, sobald die Jury-Mitglieder von der Beratung herauskamen.

Solche Jurys haben noch andere unerwartete Konsequenzen: bewirkt ein Intrapreneurship- oder Innovationsprogramm überraschend viel Interesse, dann werden sehr viele Ideen eingereicht, die Jurys überfordern können und ihnen keine Zeit lassen sich mit den Vorschlägen ausreichend auseinanderzusetzen. Verzögerungen behindern Innovation und Markttrends können nicht schnell genug aufgegriffen werden.

Viel besser ist es ein Klima und eine Struktur im Unternehmen zu schaffen, die es Intrapreneuren erlaubt unabhängig von aufwendigen Juryentscheidungen weiterzumachen, solange gewisse Kriterien – wie beispielsweise mit Innovationsoptionen – erfüllt werden. Jurys sollten dann in den Hintergrund treten.

[1] Cass R. Sunstein, Reid Hastie; Wiser: Getting Beyond Groupthink to Make Groups Smarter; Harvard Business Review Press, 2015

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