Das Industrie-Dilemma im Zeichen der Digitalen Revolution

Am Beispiel von Porsche und Tesla habe ich bereits das Dilemma von etablierten Unternehmen aufgezeichnet wenn es darum geht auf Neueinsteiger zu reagieren, die sehr dynamisch und mit viel Kapital ausgestattet disruptive Ideen umsetzen können und dabei nicht von Altlasten behindert werden. Diese Altlasten und damit einhergehenden Prozesse können zu einer unüberwindbaren Hürde für traditionelle Unternehmen werden und sie angesichts neuer Produkte und Dienstleistungen chancenlos zu machen.

Das ist das Industrie-Dilemma dem viele Unternehmen in einer Periode der digitalen Revolution ins Auge sehen. Netscape-Gründer Marc Andreessen beschrieb das vor Jahren bereits mit der Bemerkung, dass “Software die Welt verschlingen wird.” Ohne Software wird keine einzige Branche mehr überlebensfähig sein. Angefangen von Maschinensteuerung, zu Automobilen, Pflegeberufen, ja selbst zur Landwirtschaft die Wasser- und Düngemittelbedarf durch Sensoren auf den Feldern und Drohnen- und Satellitenüberwachung berechnen wird, reicht das Spektrum über das ganze menschliche Schaffen.

Die Anwendung von Software und Elektronik bedeutet aber größere Disruption als viele erwarten, da neue Herangehensweisen und Geschäftsmodelle damit einhergehen werden. Uber und Lyft ändern den Markt von Fahrdienstleistern und Versicherungen. Airbnb bringt bis dato ineffizient oder gar nicht bewirtschaftete Wohnräume auf dem Markt und ändert die Dynamik für Hotels und Pensionen.

Was all diese Startups gemein haben ist wie sie ohne Altlasten, dem Fehlen von Regulierungen und Gesetzen, der Anwendung von Software und Softwareentwicklern, billigem Risikokapital und Risikobereitschaft in bestehenden Domänen eindringen.

Externe Sicht: Wie sich Produkte und Dienstleistungen und der Vertrieb ändert:

Traditionelle Industrien/Unternehmen Digitale Unternehmen
Anlagenkapital Angemietetes Anlagenkapital (Foxconn)
Analoge Produkte Digitale Produkte (Nest, Jawbone)
Zuliefererskalierung Netzwerkeffekte (Airbnb, Uber)
Indirekter Vertrieb Direkter Vertrieb (Tesla, 23andMe)
Strenge Regulierung durch Behörden Anfängliche Regulierungsapathie von Behörden (Uber, Airbnb)
Produktentwicklungszeitraum von 3-5 Jahren Regelmäßige Produktupdates (Tesla)
Physische Lokationen On-Demand (Enjoy, Amazon)

Tabelle 1: Wie sich Produkte in der digitalen Welt transformieren.

Interne Sicht: Wie sich die organisatorischen Anforderungen und die Ausführung ändern:

Effizienz (Six Sigma) Schnelligkeit, Reaktionsfähigkeit (Stripe)
Entscheidung auf Basis von Intuition (n ist klein) Entscheidung aufgrund von großen Datenmengen (n ist groß) (Netflix)
Entscheidungshierarchie Dezentralisierte Entscheidungsfindung (Amazon)
Risikovermeidung Risikosuche (Facebook)
Sunk Costs-Denken Disruptionsdenken (UberPool)
Managementzentrische Führung Produktzentrische Führung (Stripe)
IT wird als Kostenstelle betrachtet IT als Einkommensquelle (GE, Amazon AWS)
Arbeitskräfte Roboter / Automation (Tesla, Amazon)

Tabelle 2: Wie sich Organisationen in der digitalen Welt transformieren.

Ohne zu verstehen, wie Neueinsteiger aus der digitalen Welt traditionelle Industrien ändern, wird es letzteren nicht gelingen, entsprechende Antworten zu finden. Oftmals werden Änderungen nur in Einzelbereichen durchgeführt – beispielsweise eine neue Technologie eingeführt – aber dabei übersehen, dass Innovation oft in Kombination mit mehreren Innovationstypen passiert. Der Automobilsektor ist dabei ein Paradebeispiel.

Traditionelle Hersteller kennen die Batterietechnologie die Tesla für elektrische Fahrzeuge verwendet sehr genau. Auch die Sensoren die selbstfahrende Fahrzeuge verwenden sind handelsüblich und hinlänglich bekannt. Und eine App um ein Taxi zu bestellen ist auch keine revolutionäre Neuheit. Aber die Kombination von Bezahlsystemen und die Bereitstellung von vielen Privatfahrzeugen durch Uber, die Kombination von Batterietechnologie, Supercharger-Ladestationen, und Over-the-air-Updates der Fahrzeugsoftware von Tesla, oder die Verbindung von Maschinenalgorithmen und Cloudsoftware mit der Erfahrung von Leistungsfähigen Serverfarmen bei Google machen es den Autoherstellern schwer, mitzuhalten und die Oberhand zu behalten.

Ohne diese Erkenntnis sind traditionelle Unternehmen und Industrien zum Niedergang verurteilt. Und das Verkennen der Dringlichkeit interne Differenzen zu überwinden und sich auf die ohnehin bekannten technischen Neuerungen der digitalen Konkurrenz als “nicht wirklich innovativ” auszureden machen das Überleben nicht wahrscheinlicher. Die Vertreter der digitalen Revolution warten nicht darauf, bis es die Alteingesessenen verstanden haben.

The Industrialist’s Dilemma – Neuer Kurs an der Stanford University

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