Während viel über die wichtigste Innovationsregion der Welt geschrieben wird und welche Lehren wir für Startups und Großunternehmen ziehen können, haben sich bisher nur wenige Experten mit den Besonderheiten für Klein- und Mittelbetriebe auseinander gesetzt. Dabei sind gerade für die Unternehmen in deutschsprachigen Ländern interessante Schlüsse zu ziehen, auch weil viele KMBs nach wie vor von den Unternehmensfamilien geführte Betriebe sind, die sehr viel rascher und ohne lähmende Bürokratie Änderung durchsetzen oder innovative Ansätze ausprobieren können.
Egal in welcher Nische ein Unternehmen operiert, der Wandel ist in allen das Einzig sichere. Auch wenn das eigene Feld nicht direkt betroffen ist, so sind in vielen Fällen angrenzende Bereiche umso stärker betroffen, die den eigenen Betrieb beeinflussen können. Ein Beispiel ist das Verlagswesen, das direkt betroffen ist und dabei auf Logistikunternehmen abstrahlt. Wenn weniger Bücher und Zeitungen auf Papier gedruckt werden, dann wirkt sich das auf die Belieferung von Buchhandlungen und Zeitungsverkaufsstellen aus.
Als beispielsweise das iPhone im Jahr 2007 auf den Markt kam, waren mehr als 30 Industrien sofort davon betroffen, und langfristig noch viel mehr. Wann haben wir das letzte Mal einen Filofax verwendet? Wer außer leidenschaftliche Hobbyisten und Profis schleppen neben dem Smartphone noch eine eigene Kamera mit sich mit? Und Navigationssystemhersteller verloren 80% ihres Umsatzes im Jahr 1 nach iPhone. Und keine dieser Industrien wurde und wird von Apple auch nur als Konkurrenz wahrgenommen.
Die Frage ist nicht ob Änderung kommen wird, sondern wann. Es ist keine Frage, ob wir uns mit Innovation auseinandersetzen müssen, und auch keine, dass wir lernen können wie man eine innovative Kultur aufbaut. Innovation ist ein Handwerk das erlernbar ist, genauso wie Programmieren, Buchhaltung oder die Bedienung einer CNC-Fräsmaschine.
Es ist aber nicht damit getan seinen Mitarbeitern zu sagen “lasst euch etwas einfallen” oder “seid innovativ.” Man muss ihnen sagen wie das geht und die Voraussetzungen schaffen. Viel wird dabei von der Unternehmenskultur gesprochen und dass sie geändert werden muss. Wie macht man das aber? Tatsächlich ist die Schaffung eines innovationsfreundlichen Unternehmensklimas durch die konsistente Setzung kleiner Schritte möglich.
Morawa, ein 150 Jahre alter österreichischer Mittelständler mit 1.200 Mitarbeitern und €300 Millionen Jahresumsatz, sah sein Geschäftsfeld langsam wegbrechen. Die Auslieferung von Druckerzeugnissen umfasst jedes Jahr geringere Volumina und Umsätze, neue Lösungen müssen gefunden werden. Der Juniorchef Florian Selch richtete in Absprache mit seinem Vater eine Arbeitsgruppe Morawa4Future ein die mehrere Aufgaben innehat. Angeführt von Florian wird einmal monatlich ein kleiner Innovationssalon abgehalten bei dem jeder Mitarbeiter mit diskutieren kann. Aus den verschiedensten Abteilungen und Hierarchieebenen sitzen die Kollegen zusammen und tauschen sich über die Zukunft und neue Trends aus. Im Durchschnitt besuchen diese Salons zwölf Mitarbeiter, die eingereichte Themen diskutieren.
Der unmittelbare Benefit war ein besserer Kommunikationsfluss zwischen Abteilungen die normalerweise weniger miteinander zu tun haben. Damit werden neue Netzwerkknotenpunkte geschaffen, die Arbeitsprozesse und Entscheidungen beschleunigen. Und Kollegen die Vorschläge machten fühlten sich auch angehört, und selbst wenn ihr Vorschlag nicht weiterverfolgt wurde sind sie ermutigt, weitere Vorschläge zu machen.
Für vielversprechende und interessante Ideen wird auch schnell mal ein kleines Budget bereitgestellt, das aus dem Innovationstopf stammt. Mitarbeiter können sich dabei für ein Thema Zeit nehmen und Ergebnisse im nächsten Innovationssalon vorstellen. Dabei erhalten sie auch Coaching von anderen, ohne dass ihnen gesagt wird was sie tun sollen, sondern ob sie dieses oder jenes ausprobiert haben.
Florian Selch selbst hat sich nach einem sechsjährigen Aufenthalt im Silicon Valley als Astrobiologe und Forscher bei der NASA mit der Start-up-Szene auseinandergesetzt und sich in der österreichischen Szene umgesehen. Dabei wurde auch in ein paar Start-ups investiert und einiger davon sind sogar in freie Büroräume in der Firmenzentrale eingezogen. Das gibt laut Florian eine spannende und interessante Wechselwirkung zwischen den Firmenkulturen, von denen beide lernen können. Und Lernen ist eines dieser Worte die Florian wiederholt. Eine Investition von €50.000 in ein Start-up ist für einen Mittelständler wie Morawa nicht viel oder Unternehmens gefährdend wenn sie verloren geht, aber sie erlaubt zu lernen.
Eine Investition in Innovation ist wie eine in Lebensversicherung. Nach zwei Jahren wird man auch nicht die Lebensversicherung abschaffen, weil nur Kosten anfielen und der Auszahlungsfall nicht eingetreten ist. Und Florian Selch sagt dazu: “Bei einer Lebensversicherung weiß man nicht, ob man damit eine Krebserkrankung bezahlen wird. Unternehmen aber wissen, dass sie bereits Krebs haben.”
Ein Gedanke zu “Silicon Valley Innovation für Klein- und Mittelbetriebe”