Der Plüschtier-Effekt bei Reisen ins Silicon Valley

Innovation ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels zwischen Idee zum richtigen Zeitpunkt, Tatendrang und Kultur des Ökosystems. Diese Elemente mögen wenig greifbar scheinen, und einige sogar unmöglich zu erlernen oder voranzutreiben, weil andere – nämlich die Kollegen im Unternehmen oder die Gesellschaft – sich ändern müssten um Innovation zu ermöglichen. Kultur ist dieses große Wort, das einschüchtert. Und vor allem weist es darauf hin, dass Kultur nur dann anders werden kann, wenn sich die Anderen ändern. Bequem eigentlich, gibt sie doch eine Entschuldigung warum man selbst nichts weiter brachte. Man hätte ja gern, aber leider standen die Anderen im Weg.

Nichts ist falscher, als diese Meinung. Kultur besteht aus vielen kleinen Verhaltensweisen. Und diese zu ändern beginnt bei jedem und jeder selbst. Eine Reise ins Silicon Valley kann dabei helfen. Sie bedeutet nicht nur, dass man selbst wahrnimmt und beobachtet, man wird dabei auch beobachtet. Wie verhalten sich die Teilnehmer in der Delegation? Was sagen sie? Wie ist ihre Körpersprache?

Und hier setze ich als Gastgeber und häufig gebuchter Redner vieler Delegationen ein Mittel ein, das solche kontraproduktiven Verhaltensweisen in humoristischer Weise für alle sichtbar aufzeigt. Ein Plüschtier. Nicht irgendeines, es muss möglichst hässlich sein. Grottenhässlich. Ekelerregend. Gräulich.

Sobald ein Teilnehmer etwas Negatives sagt, wandert das Plüschtierchen zu dieser Person und muss solange dort bleiben, bis die nächste Person Negatives von sich gibt.

Sätze wie “Das geht bei uns nicht, weil der Betriebsrat sich quer legen würde” oder “Zeigen Sie das mal unserer Rechtsabteilung, die schießen Ihnen das gleich ab” beenden eine Konversation oder Ideenfindung bevor sie noch begonnen hat. Mit dem Plüschtierchen wird das allen Teilnehmern aufgezeigt, oft begleitet vom Erröten des Ertappten und Gelächter der anderen Reiseteilnehmer. Stattdessen fordern wir auf, die Sätze ins Positive zu drehen. “Wie können wir den Betriebsrat miteinbeziehen?” oder “Kann uns die Rechtsabteilung Wege zeigen, wie wir das mit einem gewissen Risiko doch machen können?” lädt zur Konversation ein. Diese Fragen sind offen, nicht geschlossen wie die ursprünglichen Bemerkungen.

Vor allem Politiker, Kammervertreter oder so mancher Geschäftsführer tendiert dazu, Ideen mit solchen Sätzen gleich mal abzuschießen. Am Anfang wandert das Plüschtierchen vor allem in diesen Kreisen herum. Aber genau diese Personen passen dann am Genauesten auf. Nicht nur beginnen sie andere zu beobachten – immerhin wollen sie das Plüschtierchen ja so rasch als möglich wieder loswerden – sie beobachten auch sich besser.

Und das Ergebnis ist oft beeindruckend. Bereits am zweiten, spätestens am dritten Tag kann das Plüschtierchen eingepackt bleiben. Die ganze Gruppe hat ihr Verhalten geändert. Fragen werden offener, sind interessierter, fragen nach Möglichkeiten und Verknüpfungen mit anderen Ideen. Die Teilnehmer werden sich des eigenen kreativen, innovativen, unternehmerischen Potenzials bewusst. Talente die in ihnen schlummerten oder unterdrückt wurden, zeigen erste Anzeichen von Entfaltung.

Manche Delegationen benannten ihr Plüschtierchen sogar. Negativity Nancy hieß der Giftzwerg bei einer Delegation aus Norddeutschland.

Am Ende der Reise fahren die Teilnehmer mit der Erkenntnis heim, dass es weniger auf die Technologie ankommt, denn die gibt es zu Hause auch, sondern auf das eigene Mindset, die Verhaltensweisen die man zeigt, dem Glauben, dass alles möglich ist. Und so ende oft ich mit dem Plüschtierchen, weil ich als Tourleiter selbst oft zu negativ bin. Was will man auch, wenn die Wiener doch zu den Nörgelweltmeistern zählen?

Dieser Beitrag ist auch auf Englisch erschienen.

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