Kassandra oder Die Zukunft ist weiblich

Handleser, Priesterinnen und Hexen werden seit Jahrtausenden mit Vorhersagen und Weissagungen verbunden. Während Handleser, Hexen oder Teesudlesern wenig soziale Achtung erhalten, standen jungfräuliche Priesterinnen wie beispielsweise im Orakel von Delphi hoch im Ansehen. Könige und Heerführer nahmen beschwerliche Anreisen auf sich um zu erfahren, ob ihnen die Gunst der Götter geneigt war bei bevorstehenden politischen und militärischen Aufgaben.

Eine schöne Tochter des trojanischen Königs Priamos und seiner Frau Hekabe erweckte die Aufmerksamkeit der Götter. Sie besaß die Gabe die Zukunft vorhersagen zu können. Bereits damals dachte sich so manch Mächtiger nicht viel dabei, Frauen sexuell zu belästigen. Niemand geringerer als Apollon, der Gott der Musik und Kunst, machte sich an die Prinzessin ran. Als sie sich aber seinen Avancen verweigerte, verfluchte er sie. Weder ihr noch ihren Nachkommen sollten von nun an die Vorhersagen geglaubt werden. Ihr Name wurde zum Synonym für Warnungen denen kein Glaube geschenkt wurde und später als Tragödie doch die Menschen ereilte. Der Name der verfluchten Prinzessin war Kassandra.

Ignorierte Kassandra

Dieser Name blieb bis in die Gegenwart an den Experten hängen, die aufrüttelnde Trends oder eine gefährliche Zukunft erkennen und andere davor zu warnen versuchen. Kassandrarufe stellen eine ganze Kategorie an Vorhersagen dar.

Richard Clarke und R.P. Eddy behandeln Kassandras in ihrem Buch Warnings: Finding Cassandras to Stop Catastrophes und wie man sie und die Dynamik des oft folgenden Ignorierens und Nichthandelns erkennt. Laut den beiden Autoren sind einige der gemeinsame Kriterien solcher ‘Warner’, die nicht beachtet wurden und aber durch den Eintritt des Ereignisses bestätigt wurden, folgende:

  • sie sind Experten auf ihrem Gebiet;
  • sie arbeiten sehr datenbasiert;
  • sie denken in Grundprinzipien oder sind Querdenker;
  • sie fühlen sich persönlich verantwortlich;
  • viele von ihnen hatte eher abstoßende Persönlichkeiten oder zeigten hohe Nervosität

Sofern man das weiß, fällt es leichter die Verrückten von den wahren Kassandras zu trennen. Also die zu identifizieren, die mit größerer Wahrscheinlichkeit recht haben werden mit ihren Warnungen Aber die Warner selbst stellen nur einen von vier Dimensionen da, um eine Warnung zu beurteilen. Die vier Dimensionen sind:

  1. Die Warnung, die Bedrohung oder das Risiko
  2. Die Entscheider beziehungsweise das Publikum die zu reagieren haben
  3. Den Vorhersager oder mögliche Kassandra
  4. Die Kritiker die die Warnung zurückweisen oder abwiegeln

Um die Warnung eines Kassandrarufers zu beurteilen erfordert in Szenarien und Wahrscheinlichkeiten zu denke, während gleichzeitig persönliche Vorurteile beiseite zu legen sind. Die Fragen, die man sich dabei stellen sollte, sind:

  • Ist das Szenario der Warnung möglich?
  • Ist die Kassandra ein originell denkender Experte mit belegbaren Daten?
  • haben die Kritiker der Warnung ein persönliches Interesse oder zu viel zu verlieren, das mit der Beurteilung der Warnung in Konflikt stehen könnte?
  • Was kann und muss von wem bis wann gemacht und entschieden werden?

Ersteintrittssyndrom

So geradlinig diese Strategie scheint, führen doch andere Faktoren oft zu einem Erstarren wenn es um Entscheidungen geht. Noch gar nicht so lange ist es her, dass die Warnung, Terroristen könnten mit Flugzeugen in Wolkenkratzer fliegen, als aus der Luft gegriffen schien. Es war nie zuvor passiert. Die Reaktion auf solch ein Szenario lautete mehr einem “Ja klar kann man sich das vorstellen, aber das wird nie geschehen”. Bis es eben doch geschah.

Nur weil es bisher nicht passierte, heißt nicht, dass es niemals geschehen werden. Wir nennen das das Initial Occurrence Syndrome – Ersteintrittssyndrom. Zugegebenermaßen, es ist sehr schwer auf so ein Schwarzer-Schwan-Szenario hinzuplanen, aber genau da kommt die Foresight Mindset-Werkzeugkiste richtig. Eine Szenarienplanung mit möglichen, wahrscheinlichen und bevorzugten Zukünften helfen dabei ‘das Undenkbare zu denken’ und Organisationen geistig auf die Möglichkeit solcher Ereignisse vorzubereiten.

Tatsächlich ist es wahrscheinlicher, dass ein niemals zuvor eingetretenes Ereignis doch auftritt, als eine unendliche Weiterführung des bisherigen Status Quos. Man frage doch mal Kodak, Nokia und jedes andere Unternehmen, das auf dem Gipfel der Weltdominanz in seiner Industrie- und Geschäftssparte stand. Und obwohl sie alle ihre Kassandras in den eigenen Reihen hatten, wurden sie doch Opfer dieses Syndroms und Vorurteils das sie vom Handeln abhielt.

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