Der emeritierte Papst Benedikt XVI und ehemalige Erzbischof von München, Joseph Ratzinger kam wegen des Missbrauchsskandals im Erzbistum München unter Druck. So wird im vorgeworfen, dass er damals nichts gegen die Verfehlungen unternommen habe. Nach der Veröffentlichung eines ihn ziemlich belastenden Berichts, gab er eine offizielle Entschuldigung heraus. Und die will ich auf ihre Ehrlichkeit untersuchen, und – wer mich und mein Buch Sorry Not Sorry: Die Kunst wie man sich nicht entschuldigt kennt – wird wenig überrascht sein, dass Ratzingers vermeintliche Entschuldigung gespickt ist vor Phrasen, die nicht als Entschuldigung gelten können.
Zuerst einmal gibt er zu, dass er doch bei einer Ordinariatssitzung vom 15. Januar 1980 anwesend gewesen war, in der über Missbräuche im Erzbistum gesprochen worden war. Dazu sagt er:
Daß das Versehen ausgenutzt wurde, um an meiner Wahrhaftigkeit zu zweifeln, ja, mich als Lügner darzustellen, hat mich tief getroffen.
Er verwendet hier zwei im Buch erwähnte Kunstgriffe, nämlich der 12. Kunstgriff: Es ist passiert, und die Anderen anderen nutzen das aus sowie der 13. Kunstgriff: Es ist passiert, aber ich bin das eigentliche Opfer.
Letzteres streicht er noch hervor, indem er allen dankt, die ihm dabei Unterstützung geboten haben. Dieselbe Unterstützung in schweren Zeiten, die er damals den Missbrauchsopfern vorenthalten hat.
Um so bewegender sind für mich die vielfältigen Stimmen des Vertrauens, herzlichen Zeugnisse und berührenden Briefe der Ermutigung, die mich von sehr vielen Menschen erreicht haben. Besonders dankbar bin ich für das Vertrauen, für die Unterstützung und für das Gebet, das mir Papst Franziskus persönlich ausgedrückt hat. Endlich möchte ich noch eigens der kleinen Familie im Monastero „Mater Ecclesiae“ danken, deren Mitsein in frohen und schwierigen Stunden mir jenen inneren Zusammenhalt gibt, der mich trägt.
Im folgenden Absatz vergibt er sich irgendwie selbst, indem er Gott ins Spiel bringt, der doch vergeben würde. Er bittet dabei nicht etwa die Missbrauchsopfer um Vergebung, sondern den unsichtbaren Freund im Himmel.
Wir bitten den lebendigen Gott vor der Öffentlichkeit um Vergebung für unsere Schuld, ja, für unsere große und übergroße Schuld. Mir ist klar, daß das Wort „übergroß“ nicht jeden Tag, jeden einzelnen in gleicher Weise meint. Aber es fragt mich jeden Tag an, ob ich nicht ebenfalls heute von übergroßer Schuld sprechen muß. Und es sagt mir tröstend, wie groß auch immer meine Schuld heute ist, der Herr vergibt mir, wenn ich mich ehrlich von ihm durchschauen lasse und so wirklich zur Änderung meines Selbst bereit bin.
Der könne es ihm wohl nicht ablehnen und vor allem kann das keiner nachprüfen. Wie unangenehm wäre es, wenn die Missbrauchsopfer selbst keine Vergebung gewähren, vor allem wo doch da einiges dazugehört um zu Vergeben. Nämlich die Phasen, wie sie beispielsweise der amerikanische Verhaltensforscher David P. Boyd in sieben aufeinanderfolgenden Schritten festgehalten hat. Er sieht darin die Kunst einer öffentlichen Entschuldigung in sieben Schritten:
- Offenbarung
- Erkennung
- Reaktionsfähigkeit
- Verantwortung
- Gewissensbisse
- Rückerstattung
- Reform
Wie bei diesen Begegnungen kann ich nur noch einmal meine tiefe Scham, meinen großen Schmerz und meine aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Mißbrauchs zum Ausdruck bringen. Ich habe in der katholischen Kirche große Verantwortung getragen. Umso größer ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meinen Amtszeiten und an den betreffenden Orten geschehen sind.
Auch hier kommt der schon erwähnte 13. Kunstgriff: Es ist passiert, aber ich bin das eigentliche Opfer zum Zuge, indem er vor allem über seinen Schmerz spricht, und nicht über den er Opfer. Und es lässt sich der 22. Kunstgriff: Es ist passiert, aber ich bin auch nur ein Mensch erkennen, indem er durch das Tragen der Verantwortung, bei der ihm der Fehler passiert sei, in eine Richtung deutet, die irgendwie doch jedem Menschen, der er ja auch sei, passieren könne.
Dann kommt ein Absatz, wo er nochmals seine Abscheu gegenüber seinen Kritikern, nicht etwa den Tätern, zeigt, indem er sich mit Jesus gleichsetzt. Und er selbst sieht sich gar nicht in der Lage etwas zu ändern, er ruft die Gläubigen auf etwas Praktisches zu tun: für ihn zu beten.
Immer mehr verstehe ich die Abscheu und die Angst, die Christus auf dem Ölberg überfielen, als er all das Schreckliche sah, das er nun von innen her überwinden sollte. Daß gleichzeitig die Jünger schlafen konnten, ist leider die Situation, die auch heute wieder von neuem besteht und in der auch ich mich angesprochen fühle. So kann ich nur den Herrn und alle Engel und Heiligen und Euch, liebe Schwestern und Brüder, bitten, für mich zu beten bei Gott unserem Herrn.
Zum Abschluss zeigt er uns in gewisser Weise seine Wurschtigkeit. Um jetzt noch etwas machen zu können, z.B. eine Reform, dazu stehe er zu nah am Tod:
Ich werde ja nun bald vor dem endgültigen Richter meines Lebens stehen.
In den abschließenden Sätzen schmeißt er einfach nur mehr Nebelgranaten, indem er auf den Herrn als seinen Richter – und nicht uns lästigen Schäfchen – deutet, und noch ein nichts mit der Sache zu tun habendes Bibelzitat bringt.