Seit eine KI den Go-Weltmeister besiegte, spielen auch Menschen besser

Mein Buch zu künstlicher Intelligenz, Wenn Affen von Affen lernen, vertritt die These, dass wir, durch eine höher Intelligenz unter die Fittiche genommen, unsere eigene Intelligenz erhöhen könnten. So wie Francine Patterson das Gorilla-Weibchen Koko unter ihre Fittiche genommen, ihr Zeichensprache beigebracht, mit ihr kommunizierte und ihr und uns eine neue Welt erschlossen hatte, genauso könnten wir eine hochentwickelte KI dazu einsetzen, dass sie als lebenslange persönliche Assistentin und Lehrerin unsere geistiges und kognitives Potenzial erst so richtig entfalten lässt.

Was im Anfang 2020 erschienen Buch noch als steile These galt, scheint sich nun in ersten einfachen Weisen zu bewahrheiten. Es scheint möglich zu sein, dass Menschen von einer KI neue Vorgehensweisen und Denkmodelle lernen können.

Eine Gruppe von Forschern veröffentlichte eine Analyse mit dem Titel How Does AI Improve Human Decision-Making? Evidence from the AI-Powered Go Program, in der sie der Frage nachgehen, ob der Sieg von AlphaGo gegen den koreanischen Go-Weltmeister Lee Sedol im März 2016 mit einigen überraschenden Spielzügen zu einer Veränderung in der Spielqualität anderer menschlicher Go-Spieler geführt habe.

Untersucht wurden 750.990 Züge in 25.033 Spielen von 1.242 professionellen Go-Spielern, die diese seit dem AlphaGo-Sieg gespielt hatten. Das Ergebnis ist eindeutig. Speziell in der Anfangsphase des Spiels verbesserte sich die Qualität der Spielzüge, wobei vor allem jüngere Spieler die meiste Verbesserung zeigten und damit ihre Gewinnchancen erhöhten.

Gewisse Spielzüge, die bislang vor allem für die Defensive verwendet wurden, hatte AlphaGo als offensive Spielzüge eingesetzt. Die Höhe der Verbesserungen ist insofern beachtenswert, als Go seit mehr als 2.500 Jahren in dieser Form gespielt wird, und die Vermutung nahe lag, das Spiel in gewisser Weise ausgereizt zu haben und nur mehr kleine Verbesserungen möglich wären. Doch die Analyse der Spiele einer Go-spielenden KI wie AlphaGo, und den noch stärker spielenden Nachfolgesystemen von AlphaGo, zeigten aber neue erfolgreiche Pfade und Strategien, die eine KI besser und rascher erkunden und auffinden konnte, als ein Mensch.

Das Auffinden neuer Vorgehensweisen und Denkmodelle scheint ähnlich zu funktionieren, wie es ein anderes Experiment zeigte. Forscher des Schweizer Labor Spiez trainierten eine KI, die auf die Identifikation von neuen Medikamenten spezialisiert war, das genaue Gegenteil zu machen. Sie sollte möglichst viele schädliche Moleküle – sprich: chemiewaffentaugliche Verbindungen – ausfindig machen. Das Ergebnis erschreckte die Forscher. In nur sechs Stunden hatte die KI 40.000 neue Verbindungen vorgeschlagen, von denen einige toxischer waren als das heute stärkste bekannte Nervengift VX.

Während die Schweizer Forscher damit zeigen wollten, wie rasch Abrüstungs- und Nichtverbreitungsverträge ad absurdum geführt werden können und neue Vorgehensweisen beim Verbot von Chemiewaffen (oder Drogen und sonstigen Schadstoffen) notwendig sind, so deuten die eingesetzten KI-Algorithmen aber an, wie sie zum Guten verwendet werden können.

Von AlphaGo zu AffenGo

Entsprechend aufgesetztes Maschinenlernen und verwendete Algorithmen erlauben viel rascher, neue Muster zu erkennen, alle möglichen Pfade zu verfolgen und die Ergebnisse einzuordnen. Wo üblicherweise ein Mensch sich erst in die Untiefen einarbeiten muss und Schritt für Schritt die Wege aussteckt und erforscht, kann eine KI mit Instruktionen losgeschickt werden und das Ergebnis zurückbringen. Die besten Vorgehensweisen und Denkmodelle müssen wir dann nicht mehr mühsam und langsam entdecken, die KI präsentiert sie uns auf dem Silbertablett.

Können wir das über andere Domänen als Go hinweg anwenden, und eine KI-Assistentin und Lehrerin schaffen, dann eröffnen sich für uns neue Möglichkeiten, die uns allen zugute kommen könnten. Mein Buch gibt es übrigens hier:

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