Forscher der Stanford Universität und von Google Research zeigten auf unterhaltsame und lehrreiche Weise wie ChatGPT in der Verhaltensforschung eingesetzt werden kann. Sie schufen eine Welt, die, ähnlich wie das populäre Videospiel ‚The Sims‘ von Electronic Arts, von Charakteren besiedelt ist. Die Forscher erstellten die Stadt ‚Smallville‘, mit Park, Café, Häusern und einem Supermarkt. Dort lebten 25 virtuelle Personen, die mittels Texteingaben (‘prompts‘) -hier am Beispiel John Lin – wie folgt definiert wurden:
John Lin ist Apothekenverkäufer im Willow Market and Pharmacy, der es liebt, Menschen zu helfen. Er ist immer auf der Suche nach Möglichkeiten, um seinen Kunden die Beschaffung von Medikamenten zu erleichtern; John Lin lebt mit seiner Frau, Mei Lin, die Hochschulprofessorin ist, und Sohn Eddy Lin, der Musiktheorie studiert; John Lin liebt seine Familie sehr; John Lin kennt das alte Ehepaar von nebenan, Sam Moore und Jennifer Moore, seit ein paar Jahren; John Lin hält Sam Moore für einen freundlichen und netten Mann; John Lin kennt seine Nachbarin, Yuriko Yamamoto, gut; John Lin weiß von seinen Nachbarn, Tamara Taylor und Carmen Ortiz, hat sie aber noch nie getroffen; John Lin und Tom Moreno sind Kollegen bei The Willows Market and Pharmacy; John Lin und Tom Moreno sind Freunde und diskutieren gerne diskutieren gemeinsam über Kommunalpolitik; John Lin kennt die Familie Moreno einigermaßen gut – den Ehemann Tom Moreno und die Ehefrau Jane Moreno.
Den Charakteren wurden Aufgaben gestellt. Und das begann mit einer Vorgabe, wie der Tagesablauf in etwa sein sollte. Vom Aufstehen, Frühstücken, Kochen, Arbeiten, künstlerischer Betätigung bis hin zum Beginn von Gesprächen mit anderen Figuren.

Aufgaben
Auch komplexere Aufgaben wurden verteilt. So sollte beispielsweise die Figur Isabella Rodriguez für den 14. Februar von 17 bis 19 Uhr eine Valentinsparty organisieren. Isabella begann daraufhin den anderen Charakteren von der Valentinsparty zu erzählen und dekorierte ihr Café, das sie betrieb. Auch fragte sie einen anderen Charakter namens Maria bei der Dekoration zu helfen, und diese sagte auch zu. Und dann wird es ‚romantisch‘. Maria erzählt Isabella von ihrer heimlichen Schwärmerei für Klaus. Isabella lädt daraufhin auch Klaus zur Valentinsparty ein. Von den knapp ein Dutzend eingeladenen Bewohnern von Smallville kommen auch tatsächlich fünf zur Party, unter anderem auch Klaus, Marias heimlichen Schwarm.
Oooooh, wie süß! Auch die Studienautoren faszinierte diese Geschichte und sie fragten Klaus detaillierter, mit wem er gerne eine Stunde verbringen würde. Doch hier wird es vage, denn dazu fehlt dem Charakter Klaus dann einiges an Kontext, was die Beschränktheit des Modells der Studie zeigt.

Einem anderen Charakter namens Sam wurde die Aufgabe gestellt, als Bürgermeister von Smallville zu kandidieren. Er erzählt es Tom und langsam wird das zum Dorfgespräch. Die Bewohner beginnen Sams Kandidatur zu besprechen, es wird darüber geklatscht, wobei einige Bewohner Sam unterstützen, und andere Vorbehalte zeigen.
Verhaltensweisen & Schlüsse
Aus diesen kleinen Auszügen, was sich in den wenigen Tagen in Smallville abspielte, sehen wir drei aufkommende Verhaltensweisen: Informationsverbreitung, Beziehungsgedächtnis und Koordination. Menschliche Tester fanden die Gespräche und das Verhalten der Smallville-Charaktere übrigens menschlicher als die ihnen zum Vergleich vorgesetzten echten menschlichen Gespräche und Verhaltensweisen.
Für die Forscher ergaben sich mehrere Schlüsse. So sollten die Entwickler und Betreiber von autonomen KI-Agenten aus ethischen Gründen Benutzern immer offenbaren, dass es sich um einen künstlichen Agenten handelt. Auch sehen die Forscher Möglichkeiten, solche Simulationen zum Testen von Verhaltensweisen anzuwenden, beispielsweise wie sich geänderte Anreizsysteme in Online-Foren auf die Sprachwahl oder Kooperation auswirken könnte.
Dating
Oder wie Dating in Zukunft effizienter funktionieren kann. Simone Giertz, besser bekannt als die ‚Queen of Shitty Robots‘, schlug im Podcast mit Lex Fridman vor, dass man mit generativen KIs eine virtuelle Version von sich selbst auf Dates schicken könnte und damit vorselektiert, welcher Partner besser zu einem passt. Haben wir den gleichen Humor, wie werden kontroverse Themen abgehandelt, fließen die Gespräche oder veröden sie sehr rasch? Doch was ist dann, wenn diese virtuellen Selbst plötzlich mit den Datingpartnern zu schlafen beginnen? Was, wenn sie mit allen anderen vögeln? Wie wirkt sich das auf meinen Ruf im wirklichen Leben auf? Was, wenn mein virtuelles Selbst eine OnlyFans-Seite einrichtet? Habe ich dann Anrecht auf ein Honorar? Die Datingwelt wird nicht mehr dieselbe sein.
Ankündigung: Neues Buch
Ende November 2023 wird mein zweites Buch zu künstlicher Intelligenz erscheinen. Nach Wenn Affen von Affen lernen, das Anfang 2020 erschienen ist und in dem ich bereits autonome Agenten wie hier erwähnt beschrieben habe, kommt Kreative Intelligenz: Wie ChatGPT und Co die Welt verändern werden in den Buchhandel. Darin werde ich von generativen und autonomen KIs berichten, wie sie entstanden sind, wie sie funktionieren, was sie können und was sie nicht können, wie sie eingesetzt werden und unser Leben verändern.
