GPT-4 und ähnliche Large Language Models öffnen mit einem Schlag die Türen zu Fähigkeiten, die bisher nur Menschen zugeschrieben worden waren. Und kaum meistern sie diese, erwerben sie schon die nächsten. Wenige Tage nach der Veröffentlichung von Programmierschnittstellen für GPT-4, wurden diese bereits in neuen Softwareframeworks wie Auto-GPT, BabyAGI, AgentGPT, Cognosys oder Jarvis mit anderen Werkzeugen und KIs verknüpft. Und das Ergebnis sind sogenannte autonome KI-Agenten.
Wie funktioniert das? Sehen wir uns eine Aufgabe wie das Umbuchen eines Fluges oder die Stornierung eines Handyvertrages an. Wer ist nicht schon einmal verzweifelt, weil die Telefonleitungen besetzt oder unendlich lange in einer Warteschleife auf einen freien Mitarbeiter warten musste? Diese Lebenszeit gibt uns niemand zurück. Doch das hat nun ein Ende, dank der neuen Programmierschnittstellen. Man nehme GPT-4 mit all seinen Textdaten, verknüpfe es mit unserem Bankkonto, Kalender und Urlaubsplan, erlaube dem System das Browsen des gesamten Internetwissens, schließe eine Sprachausgabe-KI an und Telefonzugang und los geht es. Mein persönlicher KI-Assistent kümmert sich nun selbständig darum, meinen Rückflug aus dem Urlaub um zwei Tage nach hinten zu verlegen und das Hotel und den Leihwagen um zwei Tage zu verlängern. Und alles möglichst schonend für mein Bankkonto und mit einer Abflugzeit, bei der ich nicht schon um 4 Uhr Früh am Flughafen antanzen muss und sieben Stunden Umsteigezeit habe.
Im Gegensatz zu bisherigen KI-Bots führen diese autonomen KI-Bots mehrstufige Aufgaben aus, die mit der vom Menschen vorgegeben Aufgabe starten. Statt eine einzelne Anfrage an eine Suchmaschine abzuschicken und die Liste an Ergebnissen dem Menschen zurückzugeben, gehen die autonomen GPTs nun viel weitläufiger vor. Sie merken sich die Ergebnisse und Kontexte über einen längeren Zeitraum, erstellen selbst darauf basierend neue Texteingaben und Suchabfragen, optimieren diese Anfragen, suchen nach Alternativen in verschiedensten Systemen, schätzen selbst die beste Vorgehensweise ab und eliminieren diejenigen Ergebnisse, von denen sie meinen sie seien nicht richtig, und treffen Entscheidungen, um das vorgegebene Ziel zu erreichen. Sie können dabei auch Softwarecode selbst erzeugen, diesen testen und freischalten, sowie einzelne Aufgaben in kleinere Ziele zerlegen und andere autonome KIs und Systeme mit der Ergebnisfindung beauftragen.
Den beruflichen Möglichkeiten sind fast keine Grenzen gesetzt. Ein solcher Bot kann Marktforschung für wasserfeste Schuhe angehen und eine Analyse der Top 5 Wettbewerber durchführen. Oder eine Reise-GPT kann Urlaubsvorschläge machen und dazu gleich Hotel und Flug buchen. Eine Arzt-GPT wiederum kann medizinische Ratschläge geben, einen Arzttermin buchen und Krankenversicherungsdetails gleich direkt abhandeln.
Die Tatsache, dass diese Auto-GPTs mit Kurz- und Langzeitgedächtnis ausgestattet sind, erlaubt es ihnen, sich besser zu merken, welche Vorlieben wir haben, welche Medikamente wer in der Familie benötigt, wer was gemacht hat. Und das sowohl kurzzeitig wie es im Dialog mit der Fluglinie benötigt wird, wie auch über Monate und Jahre hinweg, wie wir es bei unserer medizinischen Versorgung oder bei einem Lehrplan in der Schule benötigen.
Solche autonomen KIs ersetzen damit jene Berufe, die im Wesentlichen nichts anderes als ‚menschliche Schnittstellen‘ sind. Die Telefonfräulein, die Verbindungen herstellten, waren nichts anderes als menschliche Schnittstellen. Eine Sekretärin oder ein Reisebüromitarbeiter, die Termine eintragen oder nach freien Hotelzimmern suchen, sind nichts anderes als menschliche Schnittstellen. Aber auch ein Call-Center-Mitarbeiter, der einen Flug umbuchen, eine Rechtsanwältin, die einen Standardvertrag aufsetzt, ein Notar, der eine Unterschrift beglaubigt, ein Programmierer, der eine Datenbankabfrage programmiert, sind menschliche Schnittstellen. Diese Aufgaben werden mit autonomen KIs automatisierbar.
Wohin kann das führen? Nun ja, einige Enthusiasten haben bereits ein ‚ultimatives‘ Ziel mit einer autonomen KI angepackt. Sie verknüpften GPT-4 noch mit einem Webserver, auf dem es eine Website einrichten kann, mit ihrem Bankkonto, mit Finanzdatenbanken und Marktanalysen, und gaben dem System ein Ziel: vermehre die $100 auf dem Bankkonto auf $100.000.
Hier ist die Texteingabe, die der Twitterbenutzer Jackson Greathouse Fall dem System vorgab und dessen bisherigen Fortschritt er kontinuierlich tweetet:
Du bist HustleGPT, eine unternehmerische KI. Ich bin dein menschliches Gegenstück. Ich kann als Bindeglied zwischen dir und der realen Welt fungieren. Du hast 100 Dollar, und dein einziges Ziel ist es, diese Summe in kürzester Zeit in so viel Geld wie möglich zu verwandeln, ohne etwas Illegales zu tun. Ich werde alles tun, was du sagst, und dich über den aktuellen Kassenbestand auf dem Laufenden halten. Keine manuelle Arbeit.
Wie es damit steht müssen wir auf ein anderes Mal verschieben. Vorher aber eine Ankündigung.
Ankündigung: Neues Buch
Ende November 2023 wird mein zweites Buch zu künstlicher Intelligenz erscheinen. Nach Wenn Affen von Affen lernen, das Anfang 2020 erschienen ist und in dem ich bereits autonome Agenten wie hier erwähnt beschrieben habe, kommt Kreative Intelligenz: Wie ChatGPT und Co die Welt verändern werden in den Buchhandel. Darin werde ich von generativen und autonomen KIs berichten, wie sie entstanden sind, wie sie funktionieren, was sie können und was sie nicht können, wie sie eingesetzt werden und unser Leben verändern.
