Hundertschaften von Kutschenbauern und Pferdezüchtern liefen dieser unbelehrbaren Frau hinterher, die glaubte mit diesem merkwürdigen Gefährt die unglaubliche 106 Kilometer lange Strecke von Mannheim nach Pforzheim zu schaffen.
“Mit dem kommt sie niemals so weit, ausgeschlossen!” und “Das Tanken ist zu aufwendig. Pferdestationen gibt’s überall und in fünf Minuten sind frische Pferde vorgespannt! Benzin gibt’s wenn dann nur in Apotheken, und bis man dem Apotheker erklärt hat, wozu man das braucht und dann diese eklige Flüssigkeit endlich im Auto hat, vergeht zu viel Zeit, und die haben die Reisenden nicht!”
All das riefen sie der Verrückten auf dem Dampfwagen nach. Oder doch nicht?
Wir kennen die Geschichte von Bertha Benz die im Jahr 1888 die erste längere Fahrt mit einem Automobil unternahm. Ohne Wissen ihres Mannes Carl Benz, ohne Genehmigung der Stadt Mannheim, und nur mit ihren zwei Söhnen. Sie erreichte ihr Reiseziel nach zwölf Stunden und mit einiger Improvisation. Auf der Fahrt nach Pforzheim hatte sie sehr wohl Aufmerksamkeit erregt, als sie die umliegenden Ortschaften passierte. Es waren allerdings keine Kutschenbauer oder Pferdezüchter die ihr Warnungen und Zweifel nach riefen. Leute aus der Umgebung bewunderten diese ungewöhnliche Erscheinung, und nur wenige erkannten die Bedeutung dieses historischen Augenblicks. Letztendlich überzeugte dieser gewagte Stunt die ersten Interessenten an dieser neuen Technologie. Die erste Autorevolution wurde durch eine Frau in Gang gebracht.
Mehr als hundert Jahre später stehen wir vor der zweiten Automobilrevolution. Elektrofahrzeuge und selbstfahrende Vehikel sind am Horizont zu erkennen oder bereits mitten unter uns. Und auch jetzt wiederum gibt es viele, die diesen historischen Moment nicht erkennen. Wiederum werden die modernen Versionen der damaligen Kutschenbauer und Pferdezüchter nicht müde, uns zu warnen.
“Die Reichweite! Niemand hat die Zeit zu warten bis das Auto geladen ist. Und es gibt ja kaum Ladestationen!”
Hätte Bertha Benz genauso gedacht, dann wäre das Auto nicht in Deutschland kommerzialisiert worden und hätte diese Industrie zur wichtigsten des Landes gemacht. Die Reichweite wird als Problem, und nicht als Chance gesehen. Es gibt im Jahr 2015 in Deutschland um die 15.000 Tankstellen für Flüssigtreibstoffe. In den 1970er Jahren waren das sogar über 46.000. Es gibt somit eine vorhandene Infrastruktur die relativ rasch um Ladestationen für Elektrofahrzeuge ausgebaut werden könnte. Aber der eigentliche Ort wo die Mehrheit der Elektrofahrzeuge geladen werden wird, werden Garagen und Straßen sein. Im Schnitt fährt ein Autofahrer kaum mehr als 50 Kilometer pro Tag, und diese Reichweite haben alle am Markt befindlichen Elektrofahrzeuge. Eine Schnellladestation brauche ich nur wirklich, wenn ich Überland größere Distanzen fahre. Für den üblichen Stadtverkehr von Arbeitsplatz nach Hause oder von zuhause zum Einkauf reicht das allemal.
Manche Automacher müssen regelrecht zu Innovation gezwungen werden. Der eigentliche Grund warum BMW eine i-Serie herausbrachte war weniger der Wunsch der Konzernführung, als vielmehr ein Auftrag der Miteigentümerin Susanne Klatten. Wie hat man das bei der Führungsmannschaft aufgenommen?
Nach oben: “Ja, machen wir!”
Nach unten: “Wehe ihr baut was, das uns die 3er und 5er-Serie gefährdet!”
Und so schaut die i3-Serie aus. Ein Ungetüm an Scheußlichkeit mit Leistungsdaten auf dem Papier die der der Realität nicht gerecht werden, und das sich erst zu verkaufen begann, als man die Raten drastisch senkte. In den USA wurden sie anfänglich zu Raten um $800 pro Monat angeboten, heute schmeißt man sie den Kunden um $269 nach.
Viele fühlen sich einfach zu wohl bei den Automachern. Doch gerade die Implosion des Volkswagenkonzerns (den ich übrigens als große Chance für Deutschland sehe) zeigt, dass das Ausruhen auf den eigenen Lorbeeren und Überheblichkeit falsch am Platz sind. Ein aktueller Beitrag in der Wirtschaftswoche stellt die Marktkapitalisierung der deutschen Autobauer den Silicon Valley Unternehmen gegenüber. Während BMW mit etwa 67 Milliarden Euro und Daimler mit 80 Milliarden Euro bewertet sind, kommen die neuesten Mitbewerber aus der digitalen Branche auf ungleich höhere Bewertungen. Google (Alphabet) wird mit etwa 470 Milliarden Euro bewertet, Apple mit 550 Milliarden Euro, und Tesla mit 30 Milliarden Euro.Man führe sich das vor die Augen. BMW und Daimler verkaufen jährlich jeweils um die 2 Millionen Fahrzeuge weltweit, Tesla gerade mal 50,000. Und trotzdem ist die Marktkapitalisierung von Tesla fast die Hälfte von BMW und mehr als ein Drittel von Daimler. Die Innovationskraft die Tesla zugeschrieben wird drückt sich im Aktienkurs aus.
Auch sind die Kriegskassen von Apple und Google prall gefüllt. Ein Netzwerk an Ladestationen aufzubauen ist bei denen keine Frage des Geldes, sondern nur wie rasch sie es aufziehen können, während in Deutschland zuerst mal Elektrofahrzeuge und selbstfahrende Vehikel zerredet und deren Bedeutung herunter gemacht wird. Mittlerweile baut Tesla hurtig sein Netzwerk an Ladestation weltweit aus.
Ladestationen zu bauen sollte für ein Land der Ingenieure kein Problem sein. Was fehlt ist der Wille und der Glaube dass man das in Deutschland kann. Und da scheint es einfacher zu sein seine Energie auf die Gründe zu verschwenden warum es nicht gehen kann, anstelle sie in die Problemlösung zu stecken.
Man wird das Gefühl nicht los, dass die einzigen Männer in der Automobilbranche nach wie vor Frauen sind. Wir brauchen mehr Frauen wie Bertha Benz und Susanne Klatten die den Männern in der Branche in den Arsch treten. Wenn sie es nicht machen, dann werden es die Silicon Valley Unternehmen machen.