Wie misst man Innovation in einem Unternehmen? Zeitschriften und Beratungsunternehmen versuchen in jährlichen Ranglisten diese Fragestellung zu beantworten. Dabei werden die Forschungsausgaben der öffentlich notierten Unternehmen herangezogen, Umfragen durchgeführt, oder andere Daten analysiert. Die Ergebnisse sind oft fragwürdig. So zum Beispiel wird Volkswagen mit Forschungsausgaben in der Höhe von 15 Milliarden Dollar als Nummer 1 von der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers gelistet.
Andere Listen basieren wiederum auf Umfragen unter leitenden Managern. Solche Aufstellungen ähneln mehr einem Beliebtheitswettbewerb für vergangene Leistungen. Aber wie berechnet man die Innovationskraft eines Unternehmens besser? Das ist was die Ökonomen Jeff Dyer, Hal Gregersen und Clayton Christensen in ihrem Buch The Innovator’s DNA untersuchten. Sie zogen den Aktienkurs von an der Börse gehandelten Unternehmen heran und verglichen ihn mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen.
Unternehmen denen von Investoren ein großes Innovationspotential zugetraut wird, erhalten einen Vertrauensvorschuss in der Bewertung. Diese Innovationsprämie errechnet sich indem der Unternehmenswert der sich aus der Vorhersage der Unternehmenserlöse und des Wachstums aus dem bestehenden Geschäftsmodell errechnet und dem sich daraus ergebenden Kapitalwert dieser Erlöse und vergleicht diesen mit der aktuellen Marktkapitalisierung. Wenn die Marktkapitalisierung höher ist, dann liegt der Unterschied in diesem Vertrauensvorschuss der Anleger zu erklären. Sie betrachten das Unternehmen als innovativ. Es handelt sich dabei um Erwartung für ein zukünftiges Wachstums des Unternehmens das nicht nur organisch aus den bestehenden Produkten und Dienstleistungen besteht, sondern aus neuen und innovativen zu erwarten ist.
Apple beispielsweise hatte zwischen 1980 und 1985 unter Steve Jobs einen Innovationsaufschlag von 37 Prozent. Ohne Steve Jobs sank dieser zwischen 1985 und 1998 auf minus 30 Prozent. Als Steve Jobs dann wieder das Steuer übernahm stieg das Innovationsprämie zwischen 2005 und 2009 auf plus 52 Prozent.
Für die Mitte des Jahres 2015 ergibt sich aus mit diesem Ansatz eine Rangliste, die Tesla Motors mit einem Innovationsprämie von 84,82 Prozent anführt. Unter den ersten einhundert befinden sich von den europäischen Unternehmen jeweils vier aus der Schweiz, Großbritannien und Frankreich, drei aus Irland, zwei aus Dänemark, Spanien und den Niederlanden und mit je einem sind Italien, Finnland und Schweden vertreten. Kein einziges deutsches oder österreichisches Unternehmen schaffte die Platzierung unter die ersten hundert.
Ein aktueller Beitrag in der Wirtschaftswoche stellt die Marktkapitalisierung der deutschen Autobauer den Silicon Valley Unternehmen gegenüber. Während BMW mit etwa 67 Milliarden Euro und Daimler mit 80 Milliarden Euro bewertet sind, kommen die neuesten Mitbewerber aus der digitalen Branche auf ungleich höhere Bewertungen. Google (Alphabet) wird mit etwa 470 Milliarden Euro bewertet, Apple mit 550 Milliarden Euro, und Tesla mit 30 Milliarden Euro. Man führe sich das vor die Augen. BMW und Daimler verkaufen jährlich jeweils um die 2 Millionen Fahrzeuge weltweit, Tesla gerade mal 50,000. Und trotzdem ist die Marktkapitalisierung von Tesla fast die Hälfte von BMW und mehr als ein Drittel von Daimler. Die Innovationskraft die Tesla zugeschrieben wird drückt sich im Aktienkurs aus.
Die Innovationsprämie ergibt sich für die folgenden inkludierten Autohersteller wie folgt (Quellen stammen aus *Forbes Innovationsprämie Rangliste und **The Innovator’s DNA):
Hersteller | Innovationsprämie |
Tesla* | +84,82% |
BMW** | -26% |
Toyota** | -26% |
Honda** | -27% |
Tesla hat dabei in der letzten Studie von 2015 ersten Platz gegen alle Industrien inne. Der Vergleich inkludierte 100 Unternehmen, eine genauere Beschreibung warum diese ausgewählt wurden findet sich in diesem Forbes-Artikel. Man beachte, dass weder Daimler noch Volkswagen, und auch nicht Opel (oder die Muttergesellschaft GM) in dieser Liste aufscheinen, weil sie nicht unter die Top 100 fielen.
Wie sind die Zahlen der einzelnen Hersteller zu interpretieren? Heißt das etwa BMW, Toyota oder Honda wären nicht innovativ? Nicht unbedingt. Diese Unternehmen haben teilweise große Forschungs- & Entwicklungsbudgets (Volkswagen hatte vor dem Skandal das Größte aller R&D-Budgets) und dieses führt auch zu Innovation, ist aber nicht unbedingt in Korrelation. Allerdings glauben die Anleger, dass diese Unternehmen Schwierigkeiten haben werden große Gewinne aus ihren Innovationen zu generieren Nicht nur stehen sie im Wettbewerb gegen bestehende Konkurrenten, sondern auch gegen flexible Neueinsteiger wie eben Tesla. Von Tesla hingegen erwarten sich die Anleger, dass aus diesen Innovationsschaffen ein (zukünftiger) überdurchschnittlicher Gewinn erwirtschaftet werden kann. Und dieses Vertrauen widerspiegelt sich durch den Aktienkurs in der Innovationsprämie.
Da kann BMW mit der elektrisch betriebenen i-Serie versuchen die Skeptiker zu beruhigen, oder Mercedes ein angeblich autonom fahrendes, in Wirklichkeit aber doch nur ferngesteuertes Konzeptfahrzeug namens F 015 auf die CES-Bühne bringen, oder Porsche einen Mission E ankündigen – für Ende des Jahrzehnts – mit Leistungsdaten die das Tesla Model S heute schon hat, die Anleger durchschauen das. Und stimmen mit ihrem Geld ab: indem sie vom Kurspotenzial der Aktien nichts halten.
Ein Teil dieses Beitrags erscheint im Buch Die Silicon-Valley-Mentalität.
3 Gedanken zu “Innovationsprämie im Vergleich mit deutschen Automobilbauern”