Das Internet stellt sich für Frauen ganz anders dar als für Männer. Zwar wissen Männer, dass online manche Leute nicht immer ihre besten Manieren zeigen und Online-Hass “ein Ding” ist, so wissen Männer erstaunlich wenig über die Erfahrungen, die Frauen Online machen.
Das vergangene Jahr verbrachte ich damit, genau diese Online-Welt von Frauen in ein Buch (Name des Buchs? CYBERF*CKED – erscheint im November 2022) zu gießen, das sich an Männer richtet, damit sie sehen, welchen Erlebnissen Frauen ausgesetzt sind. Einer der großen Unterschiede ist, dass Attacken gegen Frauen sehr rasch in sexualisierte Gewalt ausufern.
Chatverlauf
Wie zum Beweis stieß ich auf diesen Chatverlauf, den eine reddit-Benutzerin mit einem Mann geführt hatte. Letzterer war an einem iPhone interessiert, dass sie auf dem Facebook Marktplatz angeboten hatte. Es beginnt harmlos:
“Verkaufst du noch dein iPhone?”
“Ja, das tu ich”
“”Wann kann ich kommen um es abzuholen?”
“Ich sollte morgen Zeit haben um mich zu treffen.
Auf welcher Seite der Stadt bist du?”
“Im Süden.
Es gibt einen Starbucks auf der Southport Road.
Oder ich kann zu deinem Haus kommen.”
“Starbucks wäre großartig. Ich gebe üblicherweise meine Adresse nicht her.”
Mehr hatte sie nicht gebraucht und schon ging es los.
“LOL ! Weil du eine Frau bist? LOL”
“Ich will nicht wirklich, dass Fremde zu meinem Haus kommen.”
Sie hatte also die Gründe dargelegt, und die sollten ausreichen. Sollte man meinen…
“Also, um welche Zeit bei Starbucks?”
“Um ehrlich zu sein, das ist so lächerlich wie Frauen wegen Männern sind.
Es gibt keinen Grund vor Männern Angst zu haben und zu vermeiden, eine Adresse herauszugeben.
Du kannst mir trauen, ich bin ein netter Typ.”
“Es ist nicht persönlich. Ich möchte niemand, den ich nicht kenne, ob Mann oder Frau, meine Adresse wissen. Also, welche Zeit wäre gut?”
Sie erläuterte somit nochmals ihre Gründe, und damit sollte es doch eigentlich gut sein.
“Es ist einfach lächerlich wie die Dinge geworden sind. Die ganze Feministenbewegung hat Männer zu den ‘bösen’ Typen gemacht, wenn doch in Wirklichkeit Frauen nichts fürchten.
Tatsächlich bist du sicher und Frauen erfahren gar nicht diese Belästigungen, die sie immer behaupten. Das ist alles Blödsinn, der mich schlecht aussehen lassen soll.”
Er begann ernsthaft der Frau zu mainsplainen, dass Frauen Belästigungen nur erfinden würden. Sie sagte ihm das auch auf den Kopf zu.
“Möchtest du das iPhone oder nicht?
Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst.
Du mainsplainst, dass Frauen keinen Grund zur Angst haben? Was?”
“Ich benutze nur die Gelegenheit um Frauen über die Wirklichkeit der Welt aufzuklären. Die Angst ist in deren Köpfen.
Ich bin ein netter Typ, nichts zu befürchten.”
Sobald jemand mehrmals wiederholen muss, dass er ein “netter Kerl” sei, kann man das Gegenteil annehmen. Sie jedenfalls zieht ihre Schlüsse:
“OK, ich nehme an du willst es nicht.
Was wirst du dagegen tun?”
“Hast du zufälligerweise einen Freund?
Das beweist, dass nicht alle Männer schlecht sind
Du bist sehr süß, übrigens
Du kannst mir wirklich vertrauen
Nichts zu befürchten
Hallo?
Wo bist du hin?
Siehst du, das ist das Problem”
Sie hat sich aus der Konversation zurückgezogen, während er sie zuzulabern beginnt.
“Hier ist ein völlig netter Typ der dir die Realität des Lebens erklärt.
Der versucht dir zu zeigen, dass deine Angst die einzige Gefahr für dich selbst und andere Frauen ist. Höre auf, eine ‘Vergewaltigung’ zu befürchten und die Dinge und du werden sofort aufhören, negative Energie anzuziehen.
Lass mich zu dir kommen und du wirst sehen, dass ich dich nicht vergewaltigen werde.
Dann kannst du Männern vertrauen.”
Er setzt seinen Monolog, der sehr rasch von einem iPhone-Kauf in eine Diskussion über Vergewaltigung überging, nach einer ungläubigen Nachfrage von ihr fort.
“Trollst du mich? Ist das echt?”
“Nein
Ich habe es einfach nur satt, dass Frauen sagen sie würden ‘vergewaltigt’ werden oder so
Das ist kein Ding. Es passiert in Wirklichkeit nur sehr selten, aber Frauen lügen.
Sehr viel
Ich wette, wenn ich dir meinen dicken Schwanz in meiner Hose zeigen würde, dann würdest du deine Meinung ändern
und du würdest vergewaltigt werden wollen
wie ihr Schlampen
stirb einfach. Höre auf mich zu ignorieren
ihr Frauen ignoriert nette Kerle, wenn sie euch über den Weg laufen. Hättest ein iPhone verkaufen können und einen netten Mann treffen, aber nein, du steckst in deiner Denke drin.
Ich kann es nicht erwarten bis dieser ganze blödsinnige Feminazi-Scheiße vorbei ist. Stirb doch, Hure”
Damit war er nicht am Ende:
“Ich liebe es, wenn sich steife Schlampen sich selbst aussortieren.
Macht es für uns Kerle einfacher
Gummibärchen
Sorry, das wollte ich nicht senden
Habe eine gute Nacht, Müll”
Analyse
In meinem Buch CYBERF*CKED stelle ich einige Taktiken vor, die toxische Männer wie dieser anwenden.
- er beginnt persönlich zu werden;
- er erklärt der Frau von oben herab Dinge, die sie besser weiß als er, ohne jemals ihre Meinung hören zu wollen – das ist als Mainsplaining bekannt
- er stellt sich selbst als Mann dar, der im Interesse der Frauen handelt und deshalb nett ist;
- er fühlt sich berechtigt, dass sie mit ihm interagieren soll und wird ungeduldig, wenn sie nicht reagiert und ihm ihre Aufmerksamkeit schenkt;
- er stellt die Sorgen der Frauen als unberechtigt dar und bezeichnet sie als Feminazi-/Feministinscheiß;
- er empfindet diese Darstellung als gegen Männer gerichtete Angriffe, interpretiert damit Männer als die Opfer von Frauen (Täter-Opfer-Umkehr);
- er meint, Frauen würden Vergewaltigungen erfinden und anzeigen (Tatsache ist, dass
a) Vergewaltigungen nicht öfters falsch angezeigt werden, als andere Straftaten,
b) die Dunkelziffer bei Vergewaltigungen im Vergleich zu den angezeigten sehr gering ist, und
c) selbst von den angezeigten Vergewaltigungen nur ein einstelliger Prozentsatz tatsächlich zur Verurteilung führt; - er sieht sich als so netten Kerl, der zugleich auch mit einem dicken Schwanz gut ausgestattet ist, bei dem jede Frau sofort schwach werden müsste; ein typisches “wenn eine Frau mal nur von einem richtigen Kerl wie mich durchgefickt werden würde, dann wäre sie nicht lesbisch oder männerfeindlich“
- er beginnt sie beschimpfen und den Tod zu wünschen;
Das sind einige der Taktiken und Argumente, die toxische Männer bei der Beleidigung, Belästigung und Bedrohung von Frauen im Internet anwenden.
Anmerkung: ich habe auch eine neue LinkedIn-Gruppe zum Thema CYBERF*CKED. Melde Dich einfach an und lerne mehr zum Thema.
Hier ist das Cover meines Buches, das am 10. November 2022 erscheinen wird und schon jetzt vorbestellt werden kann:
Hier nochmals der gesamte Chatverlauf, wie er gepostet wurde:
