Im jüngsten Podcast der deutschen Agentur für Sprunginnovationen SPRIN-D erzählte der deutsche Quantenphysiker Wolfgang Schleich eine Anekdote anlässlich eines Empfangs in Stockholm bei der Nobelpreisverleihung. Am Tisch saß neben den Professoren und Dissertanten ein amerikanischer Professor, der in die Runde die Frage stellte “Welche Firma haben Sie?” Diese Frage stellte er an jeden Dissertanten, und jeder der Anwesenden sagte, er habe keine Firma. Worauf der amerikanische Professor erwiderte “Wie gibt es das? Sie sind alle so kluge Leute, und forschen, aber sie machen keine Firma aus Ihrer Idee?“
Schleich wurde damit wieder einmal der Unterschied zwischen den Amerikanern und Deutschen bewusst. Erstere gingen viel praktischer mit ihren Ideen um und hatten immer auch eine Idee für ein Start-up um ihre Forschungsarbeit auf dem Radar. Der amerikanische Professor selbst hatte mehrere Unternehmen, in denen er seine Forschungsideen umsetzte, auf den Markt brachte und monetarisierte. Schleich selbst besann sich selbst auf seine Karriere, in der er als theoretischer Physiker bislang nie die Idee gehabt hatte, an die Kommerzialisierung zu denken. Auch kein einziger seine bislang 50 Dissertanten hatte ein eigenes Unternehmen gegründet. Sie waren entweder zu Großunternehmen gewechselt oder in der akademischen Forschung geblieben.
Seit mittlerweile 20 Jahren wohne ich selbst im Silicon Valley und speziell hier ist dieser Blick auf Start-ups sehr verbreitet. Nicht nur Studenten an den hiesigen Universitäten spielen mit dem Gedanken an ein eigenes Start-ups, mir sind Uber-Fahrer und Verkäufer untergekommen, die mir von ihrer Start-up-Idee erzählten. Ein eigentlich schon pensionierter Uber-Fahrer pitchte mir während einer 15-minütigen Fahrt sein Fitness-Start-up.
Es wird geschätzt, dass es zu jedem Zeitpunkt im Silicon Valley um die 60.000 Start-ups gibt. Nicht alle sind klarerweise “echte” Start-ups und der Großteil kommt nie aus der Ideenphase raus. Aber egal ob es zwei Studenten im Studentenheimzimmer sind, oder eines in einem Co-Workingspace, wo das nächste Facebook oder Google herkommt, weiß man nie.

Ein Herkunftsort ist aber die mystische “Garage”. Der Gründungsmythos vieler bekannter amerikanischen Technologiegiganten nahm ihren Anfang in einer Garage. Hewlett Packard wurde 1939 in Palo Alto in einer Garage gegründet. Oder Google, Apple und andere. Selbst heute gibt es sie noch, diese Garagenstart-ups. Eines besuchte ich vor ein paar Jahren mit einer deutschen TV-Crew und hier sehen wir, wie eng gedrängt dieses Team zusammensass und gleich neben Grill und Sonnenstühlen im Garten an der Verwirklichung ihrer Idee werkten. Und ja, dieses Start-up war erfolgreich, sie wurden nur einige Monate später gekauft.

Während Garagenstart-ups in den USA gang und gäbe sind, gibt es die bei uns nicht. Warum eigentlich? Das hat vermutlich wieder einmal mit der deutschen Gründlichkeit zu tun. Wofür man eine Garage verwenden darf, ist nämlich genauestens geregelt. Fast jedes Bundesland hat eine Garagenverordnung, in der die Ausstattung und der Verwendungszweck genau vorgeschrieben sind. Eine Garage als Bastelkeller einzurichten ist lau den Nutzungsverordnungen nicht zulässig, da die Lagerung von brennbaren Flüssigkeiten wie beispielsweise Lack oder Öl den Schutzvorschriften nicht entspricht. Garagen dürfen nur für die Abstellung von Autos und Autozubehör verwendet werden. Als Hobbykeller oder Proberaum für eine Rockband jedenfalls nicht. Ganz zu schweigen von der Verwendung einer Garage als Büro, wie beim Start-up im obigen Bild. Weder ist ausreichend Platz für einzelne Mitarbeiter, noch Licht, sowie Ergonomie gewährleistet. In Deutschland wäre diese Garage sehr rasch ein Fall für den Kadi.
Die erste Verordnung zur Nutzung von Garagen wurde in Deutschland im selben Jahr erlassen, in dem HP gegründet worden war: 1939. Der Running Gag, dass etwas in den USA erfunden, in China kopiert und in Europa reguliert wird, ist somit keine Erfindung der jüngsten Vergangenheit. Verstöße gegen die Verordnung können mit bis zu 500 Euro geahndet werden.

Wolfgang Schleich jedenfalls nahm sich die Frage seines amerikanischen Kollegen zu Herzen. Gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und Forschung macht er sich an die Umsetzung seines Forschungsgebiets, in dem ein riesiges Team den deutschen Quantencomputer bauen will. Zwar nicht in einer Garage, aber wir können sicher sein, dass es sehr bald eine Regulierung dafür geben wird.