Da reden wir als moderne Männer immer lautstark von Gleichberechtigung und fordern Maßnahmen, doch dass wir bei uns selbst beginnen sollten, übersehen wir leicht. Beschämt musste ich das erkennen, als mir dieses Jahr das Buch The Authority Gap von Mary Ann Sieghart in die Hände fiel. In diesem Buch beschreibt die britische Journalistin, wie Frauen in ihrer Autorität, sei es als Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen, Politikerinnen und sonstigen Berufen nicht ernst genommen werden und viel größere Hürden zu überwinden haben als gleich oder sogar weniger qualifizierte Männer.
Als stellvertretende Chefredakteurin der The Times, beispielsweise, hatte Sieghart von ihren Kolumnisten und Redakteuren eine monatliche Aufstellung nach Geschlechtern der zu diversen Themen interviewten Experten eingefordert. Die anfänglichen Zahlen waren ernüchternd. Egal in welchem Ressort, der Anteil der interviewten Expertinnen lag überall unter 30 Prozent, bei den meisten Fachbereichen sogar weit darunter. Sieghart verlangte daraufhin von jedem Ressortleiter Geschlechterparität und prüfte das monatlich.
Mit dieser einen Maßnahme wurde verstärkt der weibliche Blickwinkel auf die großen Tagesthemen in die Zeitung gebracht und Sieghart stellte in ihrem Buch die Frage, inwieweit die Leser und Leserinnen dazu selbst einen Beitrag leisten können. Wie viele Bücher von Frauen, eine Gruppe, die immerhin die Hälfte der Bevölkerung ausmacht, lesen wir im Vergleich zu männlichen Autoren? Und das forderte mich heraus, meine eigenen Statistiken zu betrachten.
Vor vier Jahren hatte ich begonnen, eine Leseliste zu führen mit einer Aufschlüsselung der Bücher, Comics und Magazine, die ich im Laufe eines Jahres so las, fein kategorisiert nach Buchkategorie und Namen des Autors. Nichts leichter als auch noch das Geschlecht der Autoren einzufügen. Gesagt, getan. Die Zahlen für das erste Jahr für meine wichtigste Kategorie der Sachbücher war ernüchternd: 2019 stammten von 56 von mir gelesenen Sachbüchern gerade mal 5(!) (8,9 Prozent) von Frauen. Wie sahen die anderen Jahre aus?
Jahr | Gesamt | davon Frauen | Anteil |
2019 | 56 | 5 | 8,9% |
2020 | 86 | 13 | 15,1% |
2021 | 67 | 28 | 32,2% |
2022 | 68 | 39 | 57,4% |
Zwar steigen die Zahlen, sowohl die Gesamtanzahl (pandemiebedingt), wie auch der Anteil an weiblichen Autoren, doch lagen diese immer noch unter einem Drittel im Jahr 2021. Bis mir eben Anfang 2021 Siegharts Buch in die Hände fiel und ich diese Herausforderung annahm. Ich wollte mindestens 50 Prozent der gelesenen Sachbücher für 2022 und die kommenden Jahre von weiblichen Autoren haben. Doch das erwies sich als gar nicht so einfach, denn der Stapel an ungelesenen Sachbüchern von etwa 100 Stück auf meinem Bücherregal enthielt bei näherer Inspektion nicht mehr als 10 Bücher von weiblichen Autoren. Diese sortierte ich in einen separaten Stapel und ging auf Einkaufstour. Jedes Sachbuch beurteilte ich auch nach Geschlecht des Autoren und griff bevorzugt zu weiblichen Autoren. Mein Stapel an ungelesenen Sachbüchern von Frauen sieht aktuell so aus:
Eindrucksvoll? Nicht ganz, den für meinen Stapel an ungelesenen Sachbüchern von männlichen Autoren brauchte ich gleich drei Fotos, davon zwei Panoramabilder, auf denen in etwa 152 Bücher zu sehen sind, also fast fünfmal soviel wie bei den Frauen. Es steht mir noch Arbeit bevor. Zumindest schaffte ich es dieses Jahr, den Autorinnenanteil der von mir gelesenen Sachbücher auf mehr als 50% zu bringen. Und das erforderte einige Arbeit und Ausdauer, denn es kommt nicht natürlich, einen solchen Lesekanon aufzubauen. Dabei ist es meiner nicht exakt verifizierten Wahrnehmung ein Leichtes, an Sachbücher weiblicher Autorinnen zu kommen. Die Buchhandlungen – nicht selten von weiblichen Buchhändlern bestückt – schaffen auf den Büchertischen ein ausgewogenes Geschelchterverhältnis bei den angebotenen Büchern. Es hat also mit mir zu tun, der als Mann unbewusst sich mehr zu Sachbüchern männlicher Autoren hingezogen fühlt.
Welche Bücher habe ich 2022 also gelesen? Meine gesamte Liste befindet sich hier und dort kann zwischen 2022 Readings und 2022 Readings Female gewechselt werden. Natürlich habe ich nicht nur Sachbücher gelesen, sondern auch andere, sowie vor allem auch viele französische Comics und Magazine. Der Fokus hier soll aber auf Sachbüchern, inklusive Biographien und Memoiren bleiben.

Da ich schon seit Jahren in den USA wohne, ist es wenig verwunderlich, dass sich viele englischsprachige Sachbücher in meiner Leseliste tummeln, von denen einige auch auf Deutsch erhältlich sind. Noch ein weiteres Detail zu den Büchern, damit mir nicht vorgeworfen wird, ich käme nur auf die Anzahl der Bücher, weil ich eher dünnere Bücher weiblicher Autoren lese, weit gefehlt! Von den insgesamt 17.034 Seiten, die all diese Sachbücher umfassten stammten 9.599 von Frauen. Im Schnitt war der Umfang er Bücher weiblicher Autorinnen 246, die männlicher Autoren 256 Seiten.
Bevor ich nun darauf eingehe, was mir besonders an Unterschieden zwischen den Büchern weiblicher und männlicher Autoren aufgefallen ist, möchte ich noch auf ein eigentlich selbstverständlich erscheinende Eigenschaft hinweisen: die Sachbücher von Autorinnen stehen denen von Männern qualitativ in Nichts nach. Ganz im Gegenteil: Wegen des von Sieghart beschriebenen Authority Gap müssen Sachbücher weiblicher Autoren nochmals um eine Idee besser sein, als die der Männer.
Die folgende Aufschlüsselung sind meine ganz persönlichen Erkenntnisse an den Büchern, die ich gelesen habe, und treffen sicherlich nicht für alle zu. Ich möchte ihnen also keine Allgemeingültigkeit zuordnen. Was ich jedenfalls bemerkt habe, sind folgende acht Charakteristiken, in denen sich Bücher von Autorinnen von Autoren unterscheiden:
1. Humor
Was gleich zu Beginn aufgefallen ist, hat mit dem Humor zu tun, der sich durch viele Bücher weiblicher Autorinnen zieht. Das hatte ich nicht erwartet, denn Kabarettisten und Standup Comedians sind doch vorwiegend männlich, oder nicht? Auch hier ein Stereotyp, denn tatsächlich gibt es eine große Zahl von weiblichen Comedians. Wieso aber bringen weibliche Autorinnen in ihre Sachbücher zu manchmal sehr ernsthaften Themen so viel Humor ein?
Der Humor ist zugegebenermaßen oft recht trocken und selbstironisch, aber ich vermute, es hat mit der Absurdität der Erfahrungen weiblicher Autoren zu tun. Die Art der Kritik, des Feedbacks, des Umgangs mit weiblichen Experten in einer männlich dominierten Welt, und die Erwartungen der Gesellschaft an diese Frauen ist häufig so gespickt mit veraltet scheinenden Stereotypen und Anforderungen, dass den Autorinnen scheinbar keine andere Wahl bleibt, als das mit Humor zu nehmen.
Es passiert ihnen so häufig, dass sie es oft schon gar nicht mehr wahrnehmen. Wie absurd das oft ist, erkennen sie erst, wenn sie es Männern erzählen, die dann geschockt mit offenem Mund darauf reagieren. Ähnliche Erfahrungen bei Männern lassen diese fast schon als Beleidigung fühlen, Frauen hingegen geschieht es so regelmäßig, dass sie nicht mal mehr ein Schulterzucken dafür bereit haben. In ihren Büchern kommentieren sie das dann auf humoristische Weise. Und das macht oft trockene Themen überraschend leicht verdaulich.
2. Äußeres
Weibliche Autorinnen thematisieren häufiger das Aussehen, die Kleidung, den Haarschnitt und andere Details einer Person, über die sie berichten. Dabei wird nicht nur eine einfache Farbe wie “Lila” genannt, sondern “Very Peri” (eine Modefarbe 2022 in der Lila-Palette), und in der Farbe war ihr “Blazer-Dress”, zu dem sie passend “Suola” von “Louboutin” und eine “Kelly” trug. Wem diese Begriffe nichts sagen, der hat keine Frau, die Schuh- und Handtaschensüchtig ist und für die beide den Schuh- und Handtaschenhimmel darstellen. Habe ich schon den kecken Pagenschnitt erwähnt, über den auch geschrieben wird?
Ähnliches war immer auch in der Berichterstattung über die Queen (und anderen Frauen) bemerkbar, die zumeist mit einer Beschreibung ihres Äußeren begann. Welchen Hut hatte sie auf, welchen Mantel in welcher Farbe trug sie und welche Brosche hatte sie ausgewählt?
Männliche Autoren erwähnen Äußerlichkeiten meist nur dann, wenn sie in ihrem Weltbild außergewöhnlich scheinen. Eine Frau, die besonders schön ist, ein Mann, der ein besonderes äußeres Merkmal aufweist.
3. Familienumstände
Neben den oftmals nicht unerwähnt bleibenden Äußerlichkeiten werfen Frauen auch immer einen Blick auf die Familienumstände der Personen, die sie in ihren Büchern porträtieren und zitieren. Familienstand, Kinder, die Präsenz von kränklichen Familienmitglieder, um die sich die Personen kümmern müssen, die Wohnsituation und ähnliches werden ganz natürlich in die Erzählung eingewebt.
Männliche Autoren hingegen konzentrieren sich fast ausschließlich auf die beruflichen Umstände einer porträtierten und erwähnten Person. Es mag zwar erwähnt werden, dass diese und jene Person verheiratet ist und Kinder hat, es gibt aber fast nie weitere Details dazu. Der Fokus ist voll auf die Arbeit der Person gerichtet.
Auch den eigenen Familienstand lassen Autorinnen häufiger einfließen, als ihre männlichen Kollegen das tun. Warum das so ist, darüber kann ich nur spekulieren, aber es werden immer wieder der eigene Ehepartner und gegenbenenfalls Kinder erwähnt. Das könnte unter Umständen mit den Erfahrungen der Autorinnen zu unerwünschten Avancen von männlichen Lesern oder Kollegen zu tun haben, denen sie schon im Vorfeld das Wasser abgraben wollen. Die beiläufige Erwähnung von Ehepartner und Kindern signalisiert im Vorhinein, dass diese Autorin gebunden ist und damit nicht als “Freiwild” für unerwünschte männliche Annäherungsversuche gilt.
4. Gefühle
Gefühle haben den schlechten Ruf, dem rationalen Denken und Fortschritt entgegenzustehen. Speziell in den Wissenschaften, der Wirtschaft oder der Politik sollten Gefühle “nichts verloren” haben, denn sie führten nur zu irrationalen Entscheidungen. So hört man es jedenfalls immer. Doch so wenig es den Homo oeconomicus gibt, der aufgrund der vorliegenden Daten ausschließlich rationale Entscheidungen trifft, oder den Wissenschaftler, der rein theoriegetrieben den Fortschritt der Menschheit entwickelt, so wichtig sind Gefühle und Emotionen. Denn es hat ja einen Grund, warum ich dieses Kleid gekauft oder gerade diesen Wissenschaftszweig gewählt habe. Und die sind oft fantastisch irrational und gefühlsgetrieben.
Und diese tendieren Autorinnen öfter zum Thema zu machen und sowohl die eigenen Gefühle bei der Arbeit und damit verbundenen Ereignissen, wie auch die der porträtierten oder zitierten Persönlichkeiten zu beschreiben. Mit wenigen Ausnahmen verbleiben männliche Autoren bei einem nüchternen Schreibstil, und die wenigen, die es nicht tun, zählen zu den wirklich mitreißenden Erzählern. Auch hier zeigt sich wieder ein Nachteil für die Frauen, die es diesen Männern gleich machen wollen und nicht davor zurückscheuen, Gefühle zu beschreiben: bei Frauen wird es erwartet, aber doch gleich als weibliche Gefühlsduselei abgeschrieben.
5. Erwähnungen von Männern und Frauen
Mary Ann Sieghart erwähnte in ihrem Buch The Authority Gap die Erfahrung, dass bei Literaturpreisen und Rezensionen von Büchern Männer dazu tendieren, vorwiegend Bücher männlicher Autoren zu lesen und für Preise zu nominieren. Andere – sprich von Frauen geschriebene – Literatur wird da gerne als “Frauenliteratur” abgetan – und von Männern nicht gelesen. Genau dasselbe scheint sich bei den in den Büchern von den Autor:Innen erwähnten Personen zu bewahrheiten. Weibliche Autoren zitieren viel häufiger Beispiele und Wissen von Frauen, mit Frauen und über Frauen, als männliche Autoren es tun. Das soziale Umfeld von Männern und Frauen unterscheidet sich insofern, als männliche Autoren vorwiegend von männlichen Experten umgeben scheinen, während Frauen Experten beiden Geschlechtes nahe zu stehen scheinen.
Mathematisch ist das natürlich ein Paradox, doch erklärbar wird das mit Altersunterschieden und wer als “Peer”, also auf gleicher Augenhöhe oder als Vorbild, gesehen wird. Männer sind in vielen Branchen tatsächlich stärker von anderen Männern umgeben, und die Frauen, die es in ihr Umfeld schaffen, sind oft auf einem niedrigeren beruflichen Level, wie Doktorandinnen oder Praktikantinnen. Frauen, die oft in ein männlich dominiertes Feld vordringen, finden vor allem männliche Experten in Mentoren vor, suchen aber gezielt auch nach weiblichen Peers. Diese erwähnen und zitieren sie dann auch häufiger in ihren eigenen Arbeiten, auch um diesen Sichtbarkeit zu geben und damit zu unterstützen.
Bewirkt hat es für mich jedenfalls auch, bei männlichen Autoren mehr darauf zu achten, wie häufig sie die Arbeiten weiblicher Expertinnen zitieren oder ihre Zusammenarbeit mit solchen erwähnen.
6. Bias
Wenig überraschend ist in den Büchern ein wiederkehrendes Thema, in egal welchen Berufen die Autorinnen unterwegs sind, die real erlebte Benachteiligung, die den Autorinnen entgegen gebracht werden. Seien es Berichte zu Ereignissen, wo ihnen von Männern die Kompetenz abgesprochen wird, die Fragen nach Familienstand und Kindern in den unpassendsten Momenten gestellt wird, oder schlicht und einfach sie übergangen werden und sie sich in Entscheidungsgremien Zutritt und Gehör verschaffen mussten.
Dabei schildern sie, wie sie sich mit anderen Frauen zu diesen Erfahrungen austauschen, Notizen und Vorgehensweisen vergleichen, aber auch ganz bewusst ihre Geschlechtsgenossinnen fördern. Generell zeigen die Autorinnen höhere Aufmerksamkeit zu den versteckt oder offen vorgetragenen Vorurteilen, und berichten auch, wie sie das erste Mal mit einer solchen Situation konfrontiert waren und wie unvorbereitet sie selbst darauf gewesen waren und es sie teilweise nach wie vor oft überraschend trifft.
7. Belästigung
Weniger offen angesprochen, aber manchmal zwischen den Zeilen erwähnen die Autorinnen Belästigungen. Seien diese sexueller Natur durch Branchenkollegen oder Hass in der Öffentlichkeit und auf sozialen Medien, es belastet sie und erklärt manche Brüche in den Karrieren der Frauen.
Warum auf dieses Thema oftmals nicht näher eingegangen wird hat mit der berechtigten Sorge der Frauen zu tun, dass sie auf eine Opferrolle reduziert werden. Sie müssen erfahren, dass – im Gegensatz zu Männern – diese Begebenheiten immer wieder bei Interviews und auf Konferenzen zum Thema werden, nicht aber der eigentliche Wissensbereich, in dem die Autorinnen Expertinnen sind.
8. Forschheit
Auch die Sprache, neben dem bereits erwähnten Level an Humor, scheint sich zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden. Männer scheinen kühner in ihren Formulierungen, tendieren dazu, gewagtere Behauptungen anzustellen und kritisieren schärfer, während Frauen eher zurückhaltend in ihren Theorien und Aussagen scheinen, und Kritik weniger direkt und abgeschwächt anbringen.
Das hat sicherlich mit der unterschiedlichen Wahrnehmung durch Dritte zu tun. Ein und dieselbe Aussage und Behauptung wird je nach Geschlecht des Überbringers anders wahrgenommen. Was bei einem Mann als visionär und entschlossen gilt, wird bei einer Frau kritisch beäugt. Letztere müssen sich mehr durch Fakten und Daten und einer vorsichtigeren Sprache absichern.
Meine Schlussfolgerung
All diese erwähnten Unterschiede macht die Bücher überraschend mehrdimensional. Es wird nicht nur ganz streng das Thema selbst behandelt, sondern das Umfeld in Details beschrieben, die ein männlicher Autor allzu leicht als Ausschweifen und überflüssiges Beiwerk betrachten würde. Sie geben aber Kontext und führen meiner Meinung nach zu einem besseren Verständnis des eigentlichen Themas.
Auch ist der weibliche Blickwinkel doch so anders, dass es mir hilft, unerwartete und neue Assoziationen für meine eigenen Bücher zu schaffen. Sie fügen neue Dimensionen hinzu und machen damit meine eigenen Werke reicher, sowohl was sachliche Informationen als auch die Erzählungen betrifft.
Als weiteres Ergebnis für mich persönlich ist, dass ich mich selbst mit Stil und Sprache nicht mehr zurückhalten will. Humor darf und soll Teil von Sachbüchern sein, Gefühle können angesprochen werden, leicht als überflüssig betrachtete Details zu den Menschen hinter den Themen haben ihre Berechtigung im Buch. Insgesamt erwarte ich davon ein intensiveres Lesevergnügen und höheren Informationsgehalt für meine Leserinnen und Leser.
Und ich merke, wie mein automatischer Blick nach bei Sachbüchern nach dem Autoren bzw. der Autorin zu einer Gewohnheit geworden ist. In einer Buchhandlung mit einem Buch in meiner Hand versuche ich nicht nur das Thema selbst rasch zu erfassen, sondern auch von wem und aus welchem Blickwinkel. Das wird mir nun als Auswahlkriterium bleiben.
Was fehlt?
Ich selbst verfolgte schon in der Vergangenheit die Regel, dass jedes zweite Sachbuch, das ich lese, nichts mit einem Thema zu tun hat, mit dem ich mich aktuell beschäftige. Schreibe ich also an einem Buch zu künstlicher Intelligenz, dann lese ich natürlich eine Reihe sich damit befassender Bücher, aber zwischendurch immer auch eins zum römischen Reich, die Finkenschnabel auf den Galapagosinseln, Wirtschaftstheorien, den Aufstieg Chinas, etwas über das Bauhaus, die Erfindung von Papier oder die Bestätigung der von Einstein vorhergesagten Raum-Zeit-Krümung. So abwegig und zufällig diese Themen klingen mögen, sie interessieren mich und im Hinterkopf arbeite ich immer auch an meinem aktuellen Thema. So entstehen Impulse aus diesen anderen Büchern, die gute Vergleiche, passende Ansätze und neue Blickwinkel erlauben. Ich bin mir sicher, dass damit meine Bücher an Raum gewinnen.
Mit dem bewussten Fokus auf eine stärker ausgewogene Geschlechterverteilung der Sachbuchautoren habe ich sicherlich eine weitere Dimension hinzugefügt. Was nun noch fehlt, und das gebe ich offen zu, ist sie um die Arbeiten marginalisierter Minderheiten zu erweitern. Die Sachbuchautorinnen sind vorrangig weiße Frauen gewesen, Ich muss hier noch daran arbeiten, mehr Werke von nicht-weißen und nicht-westlichen Frauen in meinen Lesekanon hinzuzufügen, wie auch mehr die von behinderten, Angehörigen der LGBTQIA+-Community, wie auch verstärkt die von altersdiverse Autorinnen und Autoren. Auch Bücher über Frauen und Angehörigen marginalisierter Minderheiten muss ich verstärkt zum Lesekanon hinzufügen, wie auch Themen, die vorwiegend diese Gruppen betrifft.
Aber dazu gibt’s das neue Jahr.
Was tu ich?
Doch noch etwas habe ich gemacht: wie schon Mary Ann Sieghart in The Authority Gap hinweist, wird Männern oft nur aufgrund ihres Geschlechts automatisch Autorität zugeschrieben und ihnen williger zugehört, vor allem von anderen Männern. Das habe ich zum Anlass genommen, mich eines Themas anzunehmen, das ich als Technologietrendforscher als wichtig erachte, nämlich wie Frauen online von toxischen Männern beleidigt, belästigt und bedroht werden.